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Modelle zur Erklärung der Geschichte
Modelle zur Erklärung der Geschichte gibt es in der Geschichtswissenschaft und Geschichtsphilosophie. Sie sollen bei der Erklärung der Triebkräfte in der Geschichte helfen. Man kann fünf Richtungen unterscheiden:
- technologischer oder materialistischer Ansatz
- struktureller oder geografischer Ansatz
- evolutionärer oder biologistischer Ansatz
- philosophischer und theologischer Ansatz
- religionswissenschaftlicher Ansatz
Es gibt bei diesen fünf Richtungen teilweise Gemeinsamkeiten.
Technologie
Die Technologie wird im materialistischen Ansatz als ein wichtiger Antreiber der geschichtlichen Entwicklung verstanden. Demnach können aus technologischen Trends Vorhersagen gemacht werden. Diese Sichtweise findet sich auch im Marxismus.
Beispiele:
- Die Erfindung der Dampfmaschine bewirkte eine Mechanisierung der Produktion, was vieles von der Landflucht der Bauern als Arbeiter in die Städte über die Entstehung sozialistischer Parteien bis zum Kolonialismus zwecks Erschließung neuer Märkte für Rohstoffimport und Warenexport erklärt.
- Die Erfindung des Verbrennungsmotors führte im 20. Jahrhundert zwangsläufig dazu, dass die Menschen diesen zur Steigerung ihrer Mobilität nutzten. Dies führte dann auch zu einer Änderung der Siedlungsstruktur mit Trennung von Wohnung und Arbeitsplatz, einer Staffelbauordnung, Gewerbe- und Wohngebieten, den Vororten und Supermärkten auf der grünen Wiese.
Vertreter der technologischen Richtung sind Carlota Perez, Mitchel Waldrop oder Vaclav Smil.
Zu kritisieren ist dabei, dass es sich nicht um echte Vorhersagen handelt, weil die Schlussfolgerungen erst nachträglich erstellt wurden.
Geografie und Demografie
Die natürlichen geografischen Voraussetzungen sind ein Motor der historischen Entwicklung. Wir können Entwicklungen am besten verstehen, indem wir die geografischen und auch demografischen Rahmenbedingungen betrachten. So lassen sich Völkerwanderungen und andere Formen größerer Migrationen mit der wachsenden Bevölkerung erklären. Ein bekanntes Beispiel sind die Wikinger. Der evolutionäre oder biologistische Ansatz stützt sich hauptsächlich auf die demografische Entwicklung, in neuerer Zeit auch auf die Genetik. Damit wird zum Beipiel versucht, die Geschichte und das Überleben des Judentums über die Jahrtausende zu erklären.
Beispiele für geografische Bedingungen: Deutschland verhielt sich häufig militärisch aggressiv, weil es in der Mitte Europas in einem schwer zu verteidigenden Gebiet zwischen Polen und Russland sowie Frankreich lag. Die USA waren erfolgreich aufgrund ihrer reichen natürlichen Ressourcen und einer äußerst gut zu verteidigenden Lage mit Ozeanen auf beiden Seiten. Der Aufstieg der alten Ägypter und Perser zu Großreichen ist bedingt durch ihre für eine effektive Landwirtschaft essentielle und günstige Lage an großen Flüssen wie Nil oder Euphrat und Tigris. Die geografische Zugewandtheit zum Atlantik erklärt, warum England, Spanien, Frankreich und Portugal und nicht Preußen, Bayern, Österreich-Ungarn oder das Osmanische Reich große Kolonialreiche in Amerika und Afrika errichteten.
Vertreter dieser Richtung sind John Mearsheimer, Peter Zeihan oder Jared Diamond.
Normen und Kultur
Der Mensch ist ein sich Verhaltensnormen gebendes und diese dann befolgendes Wesen. Diese Normen verfestigen sich dann zu langlebigen instutionalisierten Formen. Diese sind wiederum ein wesentlicher Faktor der historischen Entwicklung. Die religionswissenschaftliche und die philosophische Betrachtungsweise befasst sich mit diesen Themen.
Beispiele: Max Weber hat in seinem Werk Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus gezeigt, wie die religiösen Vorstellungen des Protestantismus von Luther und Calvin eine Ethik formten, die zu Fleiß, Erfolgsstreben, Akkumulation von Kapital und dem modernen Kapitalismus führten. Die in der islamischen Welt fehlende Aufklärung förderte ein Festhalten der Menschen an uralten religiösen Traditionen, was die Entwicklung zu modernen Gesellschaften hemmte und auch den technologisch-wirtschaftlichen Rückstand dieser Regionen erklärt.
Vertreter dieser Richtung sind Francis Fukuyama, Ronald Coase oder Douglass North.
Auch die Kultur sowie deren Narrative sind primäre Antreiber von Geschichte. Diese entwickelt sich entlang dieser kulturellen Mythen. Darüber hinaus beeinflussen auch nationale Narrative die Geschichte.
Beispiele: Die vor Jahrhunderten von Philosophen der Aufklärung geprägten Vorstellungen von der Freiheit des Individuums führten zur Französischen Revolution, der Gründung der USA als Demokratie und beeinflussen auch heute noch viele Politiker in ihrem Wirken. Das bereits lange bestehende Narrativ von der Mission Russlands für die Einheit der slawischen Völker erklärt die expansive und aggressive Politik der russischen Zaren, der Sowjetunion und Wladimir Putins.
Ein Vertreter dieser Richtung ist Noah Yuval Harari.
Ökonomie und Materialismus
Die marxistische Schule sieht die Ökonomie als Triebfeder der Geschichte. Der ökonomische Wandel führt zu gesellschaftlichen Konflikten und Klassenkämpfen. Die Geschichte ist aus marxistischer Sicht eine Geschichte von Klassenkämpfen. Auch einige nicht marxistische Historiker, wie z.B. Neil Ferguson, sehen die Ökonomie als Hauptantrieb der Geschichte.
Beispiele: Die bürgerlichen Revolutionen des 19. Jahrhunderts haben als Ursache das wirtschaftliche Erstarken des Bürgertums und den ökonomischen Niedergang des Adels. Die Weltwirtschaftskrise der 1920er-Jahre und die Hyperinflation in Deutschland führte zu Verarmung, Existenzängsten und Unzufriedenheit vieler Deutscher mit der Demokratie der Weimarer Republik. Diese Faktoren begünstigten den Erfolg der aufstrebenden nationalsozialistischen Bewegung und führten letztendlich zu Holocaust und 2. Weltkrieg.
Vertreter dieser Richtung sind Karl Marx, Eduard Bernstein, Joe Studwell oder Neil Ferguson.
Finalität - Zyklik - Offenheit
Die christliche mittelalterliche Geschichtsvorstellung ging von einem vorherbestimmten, d.h. determinierten Verlauf der Geschichte aus. Diese lief vom Anfang im Paradies auf das erste Erscheinen von Jesus Christus als Messias zu. Seitdem ist sie ein permanenter Kampf zwischen Gut und Böse, der in der Apokalypse mit dem Erscheinen des Antichrist und der abschließenden Errettung durch das zweite Erscheinen des Messias gipfelt und seinen Abschluss in einem Ereignis findet, das als Jüngstes Gericht bezeichnet wird. Am Ausgang der geschichtlichen Entwicklung besteht kein Zweifel.
Für den Philosophen Hegel war die Weltgeschichte der langsame, mühevolle und schmerzliche Prozess, in dem das menschliche Bewusstsein zu einem immer weiter reflektierten, präzisen Wissen von der Freiheit des Geistes gelangt. Sogar die Evolution wird als zielgerichteter Prozess zur Entwicklung des Menschen gesehen, was mit dem Begriff „Ebenbild Gottes“ symbolisch erklärt wird. Entsprechende Vertreter in der Philosophie der Biologie sehen das nicht nur aus der Sicht des Christentums so. Christian Wolff (Aufklärer) entwickelte den Begriff der Teleologie, demzufolge bestimmte Handlungen und Dinge oder überhaupt die Prozesse ihrer Entstehung und Entwicklung durchgängig zielorientiert ablaufen.
Ähnlich finalistisch wie die christliche Geschichtsvorstellung ist die marxistische Geschichtsvorstellung: Die Geschichte ist ein permanenter Klassenkampf, der zwangsläufig in der Revolution des Prolaetariats und der klassenlosen Gesellschaft endet.
Auch heutige nicht marxistische Denker bewegen sich teilweise im Rahmen dieser finalistischen Vorstellungen: So wird die Geschichte häufig als zwangsläufig auf demokratische Zustände, eine diskriminierungsfreie Gesellschaft oder eine Weltregierung zulaufender Prozess interpretiert. So sieht Francis Fukuyama eine zwangsläufige Tendenz zur Entwicklung der liberaldemokratischen Systeme des Westens und den Abstieg des Kommunismus.
Das zyklische Geschichtsverständnis ist sehr alt: Der Grieche Polybios meinte, einennatürlichen Zyklus auf politischer Ebene zu erkennen. Politische Gemeinschaften seien demnach alternierend von Entstehung und Verfall geprägt. Spätere Historiker sahen die Geschichte als in Zyklen von Aufstieg, Blüte und Niedergang ablaufende Entwicklung einzelner Kulturen, und verneinen ein finales Ziel der Geschichte. Der bedeutendste Vertreter dieser Richtung war Oswald Spengler.
Ein dritter Ansatz erkennt in der Geschichte weder ein finales Ziel noch Zyklen. Die Geschichte läuft von sich wandelnden Faktoren angetrieben ohne Ziel und ohne zyklischen Verlauf ab.
Große Männer vs. Anonyme Faktoren
Bis gegen Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Geschichte vornehmlich als von Großen Männern gemacht beschrieben: Personen wie Julius Cäsar, Karl der Große, Ludwig XIV., Friedrich der Große oder Otto von Bismarck mit ihrem Charakter, ihren Überzeugungen und ihrem politischen Wirken wurden als die wesentlichen Faktoren angesehen, welche den Verlauf der Geschichte bestimmen.
Im 20. Jahrhundert ist diese Betrachtungsweise zunehmend aus der Mode gekommen: Heute sieht man die Geschichte eher als ein von vielen anonymen gesellschaftlichen, ökonomischen, technologischen oder demografischen Faktoren bestimmten Prozess, bei dem auch zufällige Ereignisse eine Rolle spielen. Die Großen Männer von einst werden primär als Repräsentanten, Kulminationspunkte oder Vollstrecker abstrakter Entwicklungen gesehen.
Multifaktorialer Ansatz
Mehrheitlich geht die heutige Forschung davon aus, dass ein Modell allein keine geschichtlichen Abläufe erklären kann. Geschichte wird aus einem Zusammenspiel von ökonomischen, geografischen und soziologischen Faktoren, technologischen Entwicklungen sowie gesellschaftlichen Normen und Narrativen gesehen. Dabei haben neben diesen abstrakten Faktoren aber auch Einzelpersonen wie Politiker mit ihrem Wirken sowie zufällige Ereignisse einen Einfluß auf den Verlauf der Geschichte. Ein finales Endzeil der Geschichte wird mehrheitlich verneint. Obwohl zyklische historische Prozesse anerkannt werden, wird doch die Einmaligkeit jeder historischen Epoche und Entwicklung betont und ein generell zyklischer Ablauf, wie z.B in Spenglers Theorien, abgelehnt.
Beispiel: Wenn man über die Ursachen für den Aufstieg und Erfolg des Römischen Reiches nachdenkt, kann man verschiedene Faktoren in Betracht ziehen:
- Geografie: Rom hatte eine für den Handel günstige zentrale Lage im Mittelmeer. Das ermöglichte wirtschafliche Beziehungen mit Spanien, Nordafrika, dem östlichen Mittelmeer und dem Orient. Aber allein dies kann Roms Erfolg nicht erklären. Auch Karthago oder die griechischen Städte wie Athen und Sparta hatten eine ähnlich günstige Lage, ihre Reiche in der Antike gingen aber schließlich unter. Der geografische Ansatz allein kann uns die Frage also nicht befriedigend beantworten.
- Technologie: Roms technologisches Geschick im Wasserbau war einer der Erfolgsfaktoren, der die Ernährung großer Bevölkerungen im Mittelmeerraum erst möglich machte. Auch das moderne Straßensystem der Römer begünstigte ihren Erfolg. Andererseits hatten auch die Babylonier bereits früher ein relativ modernes Straßensystem etabliert, und auch Bewässerungssysteme waren bereits vorher bekannt.
- Man kann die stabile republikanische Ordnung als Ursache des römischen Erfolges sehen. Also Institutionen als Motor der Geschichte. Andererseits gab es auch bei den Alten Griechen demokratische Formen, und Rom war auch als Diktatur und Kaiserreich erfolgreich. Allein diese Erklärung reicht nicht aus.
- Große Männer und der Zufall: Mehrmals stand Roms Macht auch zur Disposition: Ein paar kleinere militärische Fehlentscheidungen und Zufälle beim Kampf gegen Hannibal, und nicht Rom hätte Karthago ausgelöscht sondern genau umgekehrt wäre es gelaufen. Und hätte Rom zum rechten Zeitpunkt nicht auch die richtigen Großen Männer wie Julius Caesar, Mark Aurel oder Kaiser Augustus gehabt, wäre sein Erfolg auch nicht konstant geblieben.
Literatur
- Max Weber: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus, 1904
- Frank M. Rauch: Die Baunutzungsverordnung als Maßstab für den Lärmschutz: Entwicklungsgeschichte und Diskussionsstand, Zeitschrift für Immissionsschutz, Heft 1/2017
- Claude Lévi-Strauss: Strukturale Anthropologie, ursprünglich französisch 1958; deutsch Suhrkamp, Frankfurt am Main 1967
Andere Lexika
Wikipedia kennt dieses Lemma (Modelle zur Erklärung der Geschichte) vermutlich nicht.