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Deux mélodies hébraïques (Komposition von Maurice Ravel)
Achtung! Dieser Artikel wurde exklusiv für das Fernbacher Jewish Music Research Center geschrieben. Der Text oder Teile daraus dürfen ohne Quellenangabe nicht in anderen Projekten/Wikis verwandt werden.
Deux mélodies hébraïques ist ein Komposition des französischen Komponisten Maurice Ravel aus dem Jahr 1914. Es handelt sich um eine circa sieben- bis acht-minütige Komposition für Gesangsstimme und Klavier über jüdische Texte.
Ravel hatte schon früher Volksmusiktraditionen verschiedener Völker in seine Musik einfließen lassen. Dabei befasste er sich weniger musikwissenschaftlich (wie z.B. Béla Bartók, Leoš Janáček oder Zoltán Kodály) mit den fremden Musikformen, sondern ließ sich eher von den musikalischen Archetypen der fremden Musik inspirieren. [1]Deborah Mawer schreibt dazu u.a.:
"Man kann die veröffentlichten Lieder von Ravel in drei Kategorien einteilen: Individuelle Schöpfungen, Kompositionen nach Volksmusik verschiedener Ethnie sowie Kunstlieder."[2]
So entstanden Kompositionen über griechische Musik wie Cinq mélodies populaires grecques (1904-190), [3] die Musik verschiedener französischer Regionen wie in Matinée en Provence (1903), und besonders über spanische Musikformen wie im Habanera aus dem Werk Sites auriculaires (1895) und dem Orchesterwerk Rapsodie espagnole (1907). Im Stück Laideronette, impératrice des pagodes aus Ma mère l’oye und im Orchesterwerk Shéhérazade (1898-1904) sind musikalische Einflüsse aus dem ostasiatischen und orientalischen Raum verarbeitet. [4] Im Jahr 1910 verarbeitet er in seinen Chants populaires musikalische Elemente der Spanier, Franzosen, Italiener und Juden. Das vierte Stück der Chants populaires heißt Chanson hébraique - Mayerke, mon fils. Vor der Komposition des Chanson hébraique befasste sich Ravel mit jüdischen Melodien, die Joel Engel in Vilnius gesammelt hatte. Im eigenen musikalischen Schaffen Verständnis und Achtung für die religiöse Tradition der Juden und die aktuelle Kultur der Juden in Europa zu zeigen war in einer Zeit, in der auch in Frankreich ein starker Antisemitismus vorherrschte (die antisemitische Dreyfus-Affäre lag gerade mal 15 Jahre zurück), eher ungewöhnlich. Selbst viele gebildete Juden erachteten die jüdische Volkskultur (die Ravel z.B. mit dem jiddischen Text im zweiten Teil der Deux mélodies hébraïques vertonte) für eher minderwertig und kulturell nicht ernstzunehmen. So vertonte der jüdische Komponist Ernest Bloch nur "ernsthafte" biblische Texte unter Verwendung nahöstlicher Modi, und befasste sich nicht mit traditioneller jiddischer Musik aus Europa. [5]
Am 3. Juni 1914 wurde Das Werk dann in Paris uraufgeführt. Alvina-Alvi, der das Werk auch gewidmet ist, übernahm den Gesangspart und Ravel selber saß am Klavier. [8] Die Deux mélodies hébraïques wurden dann im Mai1915 von Durand & Cie in Paris publiziert. Sie haben im Verzeichnis der Werke von Ravel nach Marcel Marnat die Werknummer A 22.
Der Text von Ravels Vertonung ist das in Aramäisch und Hebräisch gehaltene Kaddisch in der Form des Halben Kaddisch, d.h. das ursprüngliche Kaddisch ohne Zusätze. Der Text lautet:
Erhoben und geheiligt werde sein großer Name in der Welt, / die er nach seinem Willen geschaffen, und sein Reich erstehe / in eurem Leben und in euren Tagen / und dem Leben des ganzen / Hauses Israel, schnell und in naher Zeit. / Sprecht: Amen! / Gepriesen und gerühmt / und verherrlicht und erhoben / und erhöht und gefeiert / und hoch erhoben und hochgelobt sei / der Name des Heiligen. / Gelobt sei er! / Hoch über jedem Lob und Gesang, Verherrlichung / Und Trostverheißung, die je in der Welt gesprochen wurde. / Sprecht: Amen ![13]
L'énigme éternelle
L'Énigme éternelle basiert auf einem jiddischen Gedicht/Vers. Der Text lautet auf Jiddisch:
L ’Enigme éternelle: Frägt die Velt die alte Casche / Tra la tra la la la la / Entfert men / Tra la la la la la la la la / Un as men will / kennen sagen / Tra la la la tra la la la / Frägt die Velt die alte Casche / Tra la la la la la la / Tra la la la la la la.
Das ewige Rätsel: Stellt die Welt die alte Frage: / Tra la tra la la la la, / heißt die Antwort; / Tra la la la la la la la la. / Und wenn man will, kann man auch sagen: / Tra la la la tra la la la / Immer bleibt die alte Frage: / Tra la la la la la la / Tra la la la la la la.[14]
Musik
Kaddisch
Man kann das Stück tonal oder modal analysieren, wobei der modale Ansatz angesichts des eher traditionellen Synagogalcharakter des Stückes auch angebracht erscheint.
Der verwendete Tonvorat besteht aus den Tönen c - d - es - f - fis - g - a - as - b - h. Dabei tritt der Ton fis nur ein mal im letzten Takt auf. Die Töne h und b sowie a und as treten im Stück nie auf engem Raum beieinander auf. Wir haben also drei verwendete Modi/Tonleitern:
c - d- es - f - g - as - b - c` ist der Modus Mogen Ovos (auch Magein Avot genannt), einer der ältesten Modi der Synagogalmusik, [15] welcher besonders im aschkenasischen Judentum gerne verwandt wird. [16] Der Modus wird bevorzugt am Sabbat, bei Morgengebeten (Shacharit) und Nachmittags-Gottesdiensten (Mincha) eingesetzt. Er entspricht der Natürlichen Molltonleiter (hier c-Moll) in abendländischer Musik. Fehler beim Erstellen des Vorschaubildes: Datei fehltNotenbeispiel 3: Gesanglinie (Takt 5 bis 16) von L'énigme éternelle aus den Deux mélodies hébraïques.
Im Modus Mogen Ovos gibt es eine starke Tendenz zur 5. Stufe (hier der Ton g), und es wird gerne an wichtigen liturgischen Punkten in die parallele Durtonart (in diesem Stück Es-Dur) gewechselt. [17] Solch ein Vorgang kann in Takt 28 auf der Silbe "ith" von "Weyisch taba`h weyith" konstatiert werden, wo ein Wechsel zu Es-Dur erfolgt. Die zentrale Bedeutung der 5. Stufe des Modus wird schon in den ersten drei Takten deutlich, die um den Ton g kreisen. Auch an anderen Stellen (z.B. Takt 29 bis 31) ist die Melodie auf den Ton g zentriert.
Der Melodieverlauf ist vom Metrum gelöst und frei. Es ergeben sich keine sonst in klassischer Musik üblichen, regelmäßigen Taktschwerpunkte und es ist auch keine periodische Gestaltung (wie z.B. durch Vordersatz und Nachsatz) vorhanden. Dafür sind die einzelnen Gesangsabschnitte, am Text orientiert, durch Pausen oder lang ausgehaltene Töne getrennt. Die Gesangsabschnitte sind dabei unterschiedlich lang, was einen Periodenaufbau erschwert. Die rhythmisch frei Gestaltung wird durch die Verwendung unterschiedlichster Notenlängen sowie die Mischung von binären und ternären Werten gesteigert. So folgen in Takt 16 ff. (siehe Notenbild 1) auf eine Viertelnoten mit angebundener 16-tel eine weitere 16-tel, eine 16-tel-Triole, eine punktierte Viertel, zwei 16-tel, eine weitere punktierte Viertel, eine Achtelnote und eine Viertelnote, eine Achtel-Triole und schließlich zwei Viertelnoten. Die Gesangslinie ist, wie im Synagogalgesang üblich, melismatisch reich verziert. [18] Der Tonambitus des Stückes umfasst (c bis es`) eine Undezime.
Die Klavierbegleitung beginnt mit einem über fünf Takte durchklingenden Oktavintervall des Tones g. Danach wird das Oktavintervall zweimal in sehr hoher Lage schrittweise verkleinert (g - g, g - f, ... g - a, g - g). Damit ist der gesamte Tonvorat des Modus Mogen Ovos durchschritten. Bis Takt 22 werden also nur aus zwei Tönen bestehende Intervalle und keine Dreiklänge eingesetzt. In Takt 23 erscheinen (siehe Notenbeispiel 2) mit Eb6 und Ab7+ erstmals Akkorde. Ab Takt 24 werden diese dann als schnelle Arpeggien gebracht, wobei mehrmals Ab7+ und G9+ wechseln. Ab Takt 28 dominiert dann die Es-Dur-Region der 5. Stufe. Ab Takt 38 beruhigt sich der Bewegungsfluss des Klaviers wieder. Die Arpeggiobewegung wird auf Achteltriolen verlangsamt, und das klangliche Geschehen verlagert sich schrittweise in die tieferen Regionen. Von Takt 45 bis zum Ende des Stückes werden schließlich lang gehaltene Akkorde in tiefer Lage verwandt.
L'énigme éternelle ist in Hinsicht auf seine musikalischen Merkmale sehr gegensätzlich zum Kaddisch. Das Metrum ist gleichmäßig, und in der Klavierbegleitung fast schon von monotoner und bedrückender Wirkung. Der Tonambitus der Melodie ist im Gegensatz zum Kaddisch deutlich geringer. Insgesamt ist das Stück von stark dissonanter Wirkung.
Ravel hat die Melodie des jiddischen Liedes, das unter dem Titel Die alte Caschee 1911 zum ersten Mal von der Gesellschaft für jüdische Volksmusik in St. Petersburg veröffentlicht wurde, [19] in ihrer Originalform belassen. Sie basiert auf dem Modus Ahava Rabboh, den man in der KlezmermusikFreygish nennt, und dem in klassischer Musik die phrygisch-dominante Tonleiter entspricht. Charakteristisch für diesen Modus ist die übermäßige Sekunde zwischen zweiter und dritter Stufe. In L'énigme éternelle wird die Skala Freygish mit dem Grundton fis verwandt. Ravel rehamonisiert die Melodie aber, indem er das Frygisch-Fis mit einem auf e-Moll basierenden Klavierostinato begleitet. [20] Dadurch entstehen starke Reibungsdissonanzen. So erklingen in den Takten 1 bis 8 in der Klavierbegleitung auf dem ersten Taktschlag die Töne e und dis sowie h und b, also praktisch zwei große Septimen im Quintabstand. Auf dem zweiten Taktschlag wird fis - g - cis eingesetzt, wobei mit fis und g wiederum eine kleine Sekunde für Dissonanz sorgt. Der jüdische MusikwissenschaftlerAbraham Zevi Idelsohn kritisierte diese Reharmonisation Ravels. Dieser habe mit seinem "ultra-modernen Stil keinerlei Rücksicht auf die Skala und die Natur des Modus" genommen, und den Charakter jüdischer Musik nicht verstanden. [21]
Die Klavierbegleitung bleibt fast über das ganze Stück sehr gleichförmig: In der linken Hand eine in zwei Achtelnoten aufsteigende Quintee - h (in Takt 20 bis 23 kurzfristig fis - e) und danach die None fis als Viertelnote. In der rechten Hand zwei Quartintervalle in Viertelnoten, die sich mit der linken Hand dissonant reiben. Abwechslung bringen hier nur kurz die Takte 24 bis 30, in denen die Figur rhythmisch auf vier aufsteigende Achtelnoten geändert ist, und in welcher die Begleitung sich in höherer Tonlage befindet.
Das Stück hat die Form ABA:
Der A-Teil umfasst ohne die viertaktige Klaviereinleitung 12 Takte. Er besteht aus dem viertaktigen Teil mit dem Text "Frägt die Velt die alte Casche". In diesen vier Takten folgt nach dem zweimaligen pendeln einer übermäßigen Sekunde (ais - g) eine viermalige Tonwiederholung des Tons fis. Danach folgt ein wiederholter Abschnitt mit dem Text "Tra la tra la la la la". Der Tonambitus der Melodie ist mit dem Intervall des Tritonus (e - ais) sehr gering.
Der B-Teil umfasst 14 Takte und greift anfänglich die Thematik des A-Teils auf. In Takt 20 ändert sich dann zum ersten mal das Klavierostinato, welches sich mit den Tönen fis - e - g` und danach fis - e - fis` in den Fis-Dur-Bereich begibt. Mit Takt 21 wird mit einem Sextintervallfis - d` die aus kleinen Intervallen bestehende Form der Melodiegebung aufgegeben. Der Fis-Dur-Bereich wird in Takt 23 noch deutlicher hervorgehoben, indem hier die Melodie mit den Tönen fis - ais - cis` - ais die Töne des Fis-Durakkords bringt. In Takt 25 und 26 präsentiert die Melodielinie dann die Töne des A-Dur-Akkords. Ab Takt 24 ändert sich auch die Form der Klavierbegleitung, die nun aus vier durchlaufenden Achtelnoten besteht. Von der Tonlage liegt die Klavierstimme nun in deutlich höherer Lage. Auch werden mit den abwechselnd auftretenden Akkorden A9 und G9[22] zum ersten Mal im Stück vollständige und eindeutige Dreiklänge verwandt. Die Melodie erreicht mit einem e in Takt 26 ihren höchsten Punkt, und steigt dann in Achtelnoten zum ais ab. Die Takte 29 und 30 bringen dann den Text "Tra la la la tra la la la" über dem Akkord D7.
Ab Takt 31 wird dann in 18 Takten der Abschnitt A wiederholt. Das Stück klingt dann über dem Klavierostinato aus den Takten 1 bis 4 aus.
↑Siegfried Schmalzriedt: Ravels Klaviermusik - Ein musikalischer Werkführer, C.H. Beck, München, 2006, S. 23
↑Im Original: "Taken together, Ravel`s published songs divide fairly neatly into three categories: individual settings, folk/ethnic settings and art-song collections.", zitiert nach Deborah Mawer: The Cambridge Companion to Ravel, Cambridge University Press, 2000, S. 162
↑Cornelia Petersen: Die Lieder von Maurice Ravel, P. Lang, 1995, S. 134
↑Assaf Shelleg: Jewish Contiguities and the Soundtrack of Israeli History, Oxford University Press, 2014, S. 27 bis 29
↑Richard Taruskin: Music in the Early Twentieth Century - The Oxford History of Western Music, Oxford Univerity Press, 2005, S. 108
↑Assaf Shelleg: Jewish Contiguities and the Soundtrack of Israeli History, Oxford University Press, 2014, S. 29
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