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Die Verwandlung der Wissenschaft

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Die Verwandlung der Wissenschaft ist ein Buch, das 2002 in der Reihe Constructiviana erschienen ist. Der Wiener Philosoph Friedrich G. Wallner[1] geht darin anhand einiger Vorlesungen von den Problemen aus, die sich Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsforschung stellen. Als Herausgeber ist Martin J. Jandl beteiligt. Es wird aufgezeigt, wie sich entlang gewisser Veränderungen in der Erkenntnistheorie das Bild dessen, was Wissenschaft ist, wandelt. Ziel des Buches ist, trotz Wegfall des bisherigen Begriffs der Wahrheit in der Erkenntnistheorie und damit des gesicherten Wahrheitsanspruches der Wissenschaft, dass die Wissenschaft ihre Verbindlichkeit nicht verliert. Wallner vertritt dabei die Position des Konstruktiven Realismus.

Wissenschaftstheorie und Wissenschaft

Laut Wallner ist es Aufgabe der Wissenschaft, Strukturen zu entwickeln, anhand derer man einen bestimmten Gegenstandsbereich begreifen kann. Beschreibt die Wissenschaftstheorie nur, wie in der jeweiligen Disziplin dabei vorgegangen wird, so ist das Ergebnis nur ein Geschichtsbuch der Wissenschaft, nicht aber eine Wissenschaftstheorie. Um das zu sein, muss die Wissenschaftstheorie für ihren Gegenstandsbereich selbst wieder eine Struktur erfinden, durch die sie ihn begreifen kann. Dann könnte man dasselbe mit der Wissenschaftstheorie erneut machen und so in einen Infiniten Regress geraten. Genau diesen Fehler macht, Wallner zufolge, aber die klassische Wissenschaftstheorie. Wallner entgeht dem, indem er anerkennt, dass die Wissenschaftstheorie sich nicht wie die Wissenschaften selbst verhält, die in einer direkten Beziehung zu ihrem Gegenstand stehen, sondern eher die Metasprache zu diesem Verhältnis darstellt. Zudem weist er auf die Kritik von Karl Popper hin. Er bezeichnet die Wissenschaftstheorie als „hermeneutische Reflexionsdisziplin“.[2]

Selbst-referenzielles Denken

Wallner bezeichnet das menschliche Denken als selbst-referenziell. „Das selbst-referenzielle Denken ist ein Denken, das immer von der Einsicht begleitet wird, dass es auf Methoden beruht, die selbst begründet werden müssen, die nicht von sich aus einsichtig sind, im Unterschied zum göttlichen Denken.“[3] Beim göttlichen Denken bezieht er sich auf Kant, der das Denken Gottes als ein Denken, das alle Strukturen, wie sie gegeben sind, in der Anschauung erfasst. Für den Menschen ist es hingegen nicht möglich, die Dinge an sich zu schauen. Das göttliche Denken wäre also ein nicht-referentielles Denken im Gegensatz zum selbst-referentiellen. Selbstreferentialität ist gleichbedeutend mit der Möglichkeit, sich zu irren. Indem man weiß, dass man denkt, weiß man auch um die Möglichkeit in seinem Denken zu irren. Dem Menschen ist somit die absolute Wahrheit nicht zugänglich.

Für die Wissenschaftstheorie wirft das die Frage auf wie es dann noch möglich ist, die Antworten, die die Wissenschaft bietet, als verbindlich anzusehen. Wissenschaft ist für Wallner keine Beschreibung der Welt, ihre Aussagen sind dennoch verbindlich.

Wahrheit und Wissenschaft

Für die abendländische Wissenschaft sind laut Wallner zwei Aspekte grundlegend: Zum einen der Begriff der Wahrheit – einer absoluten Wahrheit – und zum anderen der Begriff der Gewissheit. Der Wahrheitsbegriff geht auf Platon zurück, der wie schon vor ihm Parmenides zwischen Wesen und Erscheinung unterschieden hat (siehe Ideenlehre). Die Wissenschaft entspricht in dieser Betrachtungsweise der Enthüllung des Wesens der Dinge. Im frühen Mittelalter hat sich dann die platonisch-aristotelische Philosophie mit dem Christentum vermengt. Im Christentum gab es, im Gegensatz zu der griechischen Philosophie, ein personifiziertes Absolutes, das selbst als Wahrheit gilt. Dadurch war die Erlangung einer absoluten Wahrheit dem Menschen nicht mehr möglich, und so wurde der Wahrheitsbegriff durch den Gewissheitsbegriff ersetzt. Die menschliche Erkenntnis ist ein Abbild der Erkenntnis Gottes, doch sie ist endlich. „Ist eine Erkenntnis vollkommen gewiss, so ist sie auch wahr. Das war für die Wissenschaft eine Revolution. Es geht nicht mehr um die Reproduktion einer Idee, sondern darum, dass ich Handlungen setze, die zur vollkommenen Gewissheit führen.“[4] Diese Gewissheit ist aber nur durch ein höheres Wesen gewiss (vgl. Hierzu die Philosophie Descartes).

Nachdem sich aber die absolute Wahrheit als unzugänglich erwies und mit der Ungewissheit über die Existenz Gottes auch die Gewissheit unsicher wurde, benötigte die Wissenschaft eine neue Legitimation der Gültigkeit ihrer Erkenntnisse. An diese Stelle trat die Interdisziplinarität. Sie garantiert einem Satz dadurch Gültigkeit, dass er „im Verband vieler wissenschaftlicher Satzsysteme steht.“[5] Der Konstruktive Realismus hingegen verzichtet komplett auf eine Legitimation der Gültigkeit. Es gibt hier schlicht keine Kriterien für die Gültigkeit von Wissenschaft.

Wissenschaft und Technologie

Das ursprüngliche Ziel der Wissenschaft ist für Wallner das Verstehen der Natur und nicht sie zu beherrschen. Jedoch kann man sie nicht verstehen, sondern nur nachvollziehen durch welche Handlungen wissenschaftliche Erkenntnisse zustande kommen. Versteht man, wie die Aussagensysteme zustande kommen, versteht man die Wissenschaft, kann sie aber trotzdem nicht legitimieren.

Mit wissenschaftlichen Aussagensystemen kann man die Phänomene handhaben. Man macht sie verfügbar, sowohl der Anwendung, als auch dem Verstehen. Wallner definiert hier die Unterscheidung zwischen Wissenschaft und Technologie, die eben darin besteht, dass der Wissenschaft ein Verstehensmoment innewohnt.

Die Deutung einer Wissenschaft kann selbst nicht wieder aus der Wissenschaft kommen, denn das wäre zirkulär. Sie muss gemäß der Lebenswelt, der die Wissenschaftler angehören, gedeutet werden. Lässt sich das Resultat einer Wissenschaft in eine Lebenswelt deuten, so ist es Wissenschaft, wenn nicht Technologie. Durch die Deutung in die Lebenswelt, wird das Resultat in den Handlungshorizont eingebracht, der dadurch verändert wird, und so verändert sich auch die Lebenswelt.

Abgrenzung zu anderen Formen des Konstruktivismus

Wallner führt zunächst die Unterscheidung zwischen Konstruktivismus und Konstruktionismus ein. Der Konstruktivismus argumentiert auf der Metaebene, während der Konstruktionismus die Objektebene nie verlässt. Das hat zwar seine Berechtigung, funktioniert aber im Bereich der Erkenntnistheorie nicht mehr.

Das Problem des radikalen Konstruktivismus ist für Wallner, dass die Wahrheit gestrichen wird, ohne dass ein Ersatz für sie angeboten wird, wodurch er in einen Instrumentalismus kippt. Wenn es keine Wahrheit mehr gibt, dann besteht auch die Gefahr, die Wissenschaft werde von bestimmten sozialen Gruppen in den Dienst genommen und unterwerfe sich somit einer politischen Ideologie. Für Wallner ist die Aufgabe des Konstruktivismus, die Wissenschaft als rationales Unternehmen aufzuzeigen und eben das macht der radikale Konstruktivismus nicht.

Die Erlanger Schule geht davon aus, dass das Denken normierbar ist. Die Normen dafür sollen aus dem Handeln abgeleitet werden. Das Handeln aber ist zu vielfältig, um vorwegnehmbar zu sein.

Der Konstruktive Realismus versucht sich deshalb an dem zu orientieren, was die Wissenschaftler wollen. Das sind, wie Wallner erfragt hat, nicht Strukturen zur logischen Analyse, wie sie die formale Wissenschaftstheorie hervorbringt, sondern in erster Linie geht es um die Frage nach der Einordnung der eigenen Produkte. Wissenschaftler produzieren Sätze in der Fachsprache ihrer jeweiligen Disziplin. Diese Sätze in eine andere Sprache zu übersetzen bereitet aber oft Schwierigkeiten. Zum anderen geht es Wallner darum den Erkenntnisanspruch der Wissenschaft nicht zu verabschieden.

Funktionsweise des Konstruktiven Realismus

Wie der Konstruktive Realismus vorgeht, liegt in seiner Ontologie begründet. Es werden zwei Welten angenommen: die Wirklichkeit und die Realität. Die Wirklichkeit ist die Welt wie sie wirklich gegeben ist und unserer Erkenntnis unzugänglich. Die Realität ist das Produkt unserer Erkenntnis. Letztere setzt sich aus verschiedenen Mikrowelten zusammen, wie die einzelnen wissenschaftlichen Theorien genannt werden. Diese sind Konstrukte und können sich im Verlaufe der Wissenschaftsgeschichte ändern. Doch sie sind es auch, die die Wirklichkeit verändern. Die Mikrowelten ersetzen die Natur durch Kultur.

Eine Mikrowelt ist demnach aber nur ein funktionierendes Gebilde. Der Erkenntnisanspruch liegt noch nicht darin begründet. Es sind Handlungsanweisungen für den Umgang mit Phänomenen, aber nicht Erkenntnisse. Erkenntnis entsteht im Konstruktivismus durch ein in Beziehung setzen. Ein Aussagensystem wird zu den menschlichen Handlungen und die wiederum zu den vorhandenen Daten in Beziehung gesetzt. Erst in der Interpretation wissenschaftlicher Satzsysteme entsteht demnach Erkenntnis. Auf der Interpretationsebene ist die Wissenschaft vollkommen offen, nicht aber auf der instrumentellen Ebene.

Im wissenschaftlichen Alltag werden ständig die Satzsysteme, die hervorgebracht werden, interpretiert. Dabei geht es aber nicht bloß um den richtigen Zeichengebrauch, wie Wallner hervorhebt. Zeichen sind hier nur Regeln zur Handhabung von Informationen. Ihre Bedeutung ist auch nicht direkt der Alltagssprache zuordenbar. Die Erkenntnis aber vollzieht sich dann, wenn nachvollzogen wird, wovon die formale Sprache abstrahiert. „Wenn wir verstehen, wovon die Satzsysteme abstrahieren, begreifen wir, welche Handlungen nötig waren und sind, diese Satzsysteme zu konstruieren. Das heißt, Erkenntnis bedeutet nicht Erkenntnis der Natur, sondern wie man Natur strukturieren kann.“[6]

Bei der Übersetzung von einer Fachsprache in die Alltagssprache bleiben jedoch immer gewisse Unschärfen zurück. Erstere setzen nämlich einen bestimmten Zugang voraus, letztere nicht. Wenn wir diese Unschärfen identifizieren haben wir etwas über die Lebenswelt, die der Sprache zugrunde liegt, erfahren. Das Verfahren, das im Konstruktiven Realismus dazu angewandt wird, ist die Verfremdung.

Psychologie und Psychoanalyse

Im letzten Kapitel wendet Wallner seine Theorien auf die Psychologie, und dabei insbesondere auf die Psychoanalyse, an. Wallner sieht die Vorgangsweise der Psychoanalyse ähnlich der der Philosophie und analog zum Hermeneutischen Zirkel.

Phänomene werden hier nicht auf wenige Sätze zurückgeführt, wie es in der klassischen Wissenschaft der Fall ist, sondern es werden die Merkmale der auftretenden Entitäten aufgestuft. D.h. Entitäten werden miteinander in Beziehung gesetzt, ohne dass ein Bezug zu einer Unmittelbarkeit notwendig wäre. Die Beziehungen werden nur unter den Entitäten hergestellt, wodurch neue Gesichtspunkte an diesen sichtbar werden, die wiederum neue Bezugnahmen ermöglichen. Eine empirische Rückführung besteht nicht. Ziel dieser Vorgangsweise ist, dass der Klient die Erkenntnisse in seiner Lebenspraxis umsetzt und so glücklicher wird. Bei dieser Vorgangsweise kommt es zweifellos zu einem Fortschritt im Wissen, doch befindet sich dieser Fortschritt ausschließlich in der Beziehung zwischen Therapeut und Patient. Durch die Psychoanalyse werden demnach menschliche Aktivitäten bzw. seelische Aktivitäten überblickbar: „Die Psychoanalyse beschreibt nicht, wie das Seelenleben wirklich ist, sondern macht seelische Vorgänge überblickbarer als sie in ihrer lebensweltlichen Deutung sind.“[7]

Literatur

  • Fritz G. Wallner: Die Verwandlung der Wissenschaft. Vorlesungen zur Jahrtausendwende. Martin J. Jandl (Hrsg.), Dr. Kovac, Hamburg 2002, (ISBN: 3-8300-0584-1 und 3-8300-0584-9)

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Wallner publizierte von ca. 1972 bis 1983 unter „Friedrich Wallner“. Da „Wallner“ ein häufiger Name ist, publizierte er zur besseren Unterscheidbarkeit danach unter „Fritz G. Wallner“ bis ca. 1999.
  2. siehe Inhaltsverzeichnis und Seite 85
  3. Fritz Wallner: Die Verwandlung der Wissenschaft, S.59
  4. ebenda: S.90
  5. ebenda: S.91
  6. ebenda: S.216
  7. ebenda: S.253

Andere Lexika

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