PlusPedia wird derzeit technisch modernisiert. Aktuell laufen Wartungsarbeiten. Für etwaige Unannehmlichkeiten bitten wir um Entschuldigung; es sind aber alle Artikel zugänglich und Sie können PlusPedia genauso nutzen wie immer.
Neue User bitte dringend diese Hinweise lesen:
Anmeldung - E-Mail-Adresse Neue Benutzer benötigen ab sofort eine gültige Email-Adresse. Wenn keine Email ankommt, meldet Euch bitte unter NewU25@PlusPedia.de.
Hinweis zur Passwortsicherheit:
Bitte nutzen Sie Ihr PlusPedia-Passwort nur bei PlusPedia.
Wenn Sie Ihr PlusPedia-Passwort andernorts nutzen, ändern Sie es bitte DORT bis unsere Modernisierung abgeschlossen ist.
Überall wo es sensibel, sollte man generell immer unterschiedliche Passworte verwenden! Das gilt hier und im gesamten Internet.
Aus Gründen der Sicherheit (PlusPedia hatte bis 24.07.2025 kein SSL | https://)
Bei PlusPedia sind Sie sicher: – Wir verarbeiten keine personenbezogenen Daten, erlauben umfassend anonyme Mitarbeit und erfüllen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vollumfänglich. Es haftet der Vorsitzende des Trägervereins.
PlusPedia blüht wieder auf als freundliches deutsches Lexikon.
Wir haben auf die neue Version 1.43.3 aktualisiert.
Wir haben SSL aktiviert.
Hier geht es zu den aktuellen Aktuelle Ereignissen
Die Einteilung der Menschen Afrikas in „Stämme“
Die Einteilung der Menschen Afrikas in „Volksxtämme“ beruht auf einer eurozentrischen Sichtweise. Diese Einteilung ist nach neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht mehr haltbar. Der Begriff des „Stammes“ wurde als kolonialistisches und rassistisches Konstrukt demaskiert. Die Bevölkerung des afrikanischen Kontinents wurde vom Westen jahrhundertelang in „Stämme“ eingeteilt.
Geschichte
Die im 19. Jahrhundert nach Afrika eindringenden europäischen Kolonialmächte teilten die Bevölkerung des Kontinents schon bald in „Volksstämme“ ein. Der ideologisch motivierte Begriff - im Englischen „tribe“ und im Französischen „tribu“ - sollte einen Unterschied zwischen modernen, westlichen Gesellschaften und den kolonialisierten Gesellschaften Afrikas ausweisen, wobei letzteren Primitivität und entwicklungsgeschichtlicher Rückstand unterstellt wurde.
Der Einteilung lag der Gedanke zugrunde, dass Afrika aus in sich ruhenden, isolierten Gemeinschaften bestehen würde, die sich nur an ihren Rändern berührten und kaum gegenseitig beeinflussten. In Wirklichkeit sind die Gesellschaften Afrikas aber zu vielgestaltig, um sich mit einer einfachen Einteilung in „Stämme“ erfassen zu lassen. Und sie waren weniger isoliert als die Kolonialherren meinten. Die Identitäten der Menschen waren keineswegs so fest, wie der koloniale Staat sie wollte.
Viele „Stämme“ wurden erst durch die Kolonialmächte selber „erschaffen“. Oft erfanden Kolonialherren ethnische Namen und machten sie zu einem Merkmal der von ihnen Beherrschten. Manchmal griffen sie dabei falsch verstandene lokale Begriffe auf oder übernahmen Fremdbezeichnungen. Ein Beispiel dafür ist die Bezeichnung Yoruba für eine Menschengruppe aus Nigeria. Dieses Wort war eine Bezeichnung, welche Hausa-Händler aus dem Norden des Landes ihren Gastgebern im Südwesten der entstehenden Kolonie gegeben hatten.
Durch die koloniale Verwaltungspraxis schuf der Kolonialismus Realitäten, die im Laufe der Zeit von den Betroffenen oft angenommen wurden und sich verhärteten. Ein besonders abschreckendes Beispiel dafür ist die Einteilung der ursprünglich sozialen Gruppen der Tutsi (Viehzüchter), Hutu (Feldbauern) und Twa (Leibeigne) in Burundi und Ruanda, die über die Eintragung in die Identitätspapiere festgeschrieben wurde und später eine der Ursachen des Völkermord in Ruanda 1994 war. Die Einteilung in „Stämme“ war immer auch ein koloniales Unterdückungsinstrument, weil man z.B. die einzelnen „Stämme“ gegeneinander ausspielen konnte. Daneben gab es den „Stamm“ als romantische, mythenbehaftete Vorstellung vom „edlen Wilden“ in der Wunschvorstellung des westlichen Menschen.
Wissenschaftliche Betrachtung
Ab den 1970er-Jahren hat die westliche Wissenschaft den Begriff des „Stammes“ vermehrt kritisch hinterfragt. Der Anthropologe Michael Olen merkte beispielsweise an, dass „der Begriff Stamm Anthropologen wegen seiner vielen Verwendungsweisen und Konnotationen nie zufriedengestellt habe“. Als „Stammesgesellschaften klassifizierte Gesellschaften“ seien „in ihrer Organisation sehr vielfältig“ und hätten „wenige gemeinsame Merkmale“. Morton H. Fried erachtete den Begriff des „Stammes“ als „so zweideutig und verwirrend, dass Sozialwissenschaftler ihn vermeiden sollten“. Der Begriff des „Stammes“ verschwand aus dem gesellschaftspolitischen Diskurs, während er bis heute weiterhin häufig in den Medien in seiner alten, vorurteilsbehafteten Bedeutung als griffige Erklärung für alle Arten von Strukturproblemen in Afrika verwendet wird. Von Afrikanern wird der Begriff „Stamm“ als eurozentrisch und rassistisch diskriminierend abgelehnt. Susan Arndt kritisiert, dass mit dem Begriff „Stamm“ die „Diversität von Gesellschaften in Afrika negiert“ werde. Außerdem werde mit dem Begriff suggeriert, als „ließen sich klare geographische und kulturelle Grenzen zwischen einzelnen afrikanischen Gesellschaften ziehen“.[1] Dennoch wird das überholte Narrativ des „Stammes“ in den Medien, dem Schulunterricht und im Alltagsdeutsch bis ins 21. Jahrhundert hinein immer noch verwendet.[2] So schrieb Walter Sauer, dass die Stammesterminologie „für erklärende Zwecke in Wissenschaft wie im Unterricht wegen Untauglichkeit keine Verwendung mehr finden“ sollte. Die „Beharrlichkeit, mit der in den untersuchten GuS-Büchern bei der Behandlung der Geschichte Afrikas immer noch von 'Naturvölkern' oder 'Stämmen' die Rede ist oder sogar rassisch diskriminierende Begriffe wie '„Buschmänner“' oder '„Neger“' Verwendung finden, zeigt zugleich die hartnäckige Weiterexistenz des kolonialen Unvermögens (oder Unwillens) an, afrikanische Gesellschaften - ja menschliche Gesellschaft überhaupt - wissenschaftlich zu begreifen.“
Weblinks
- Daniel Bendix und Adibeli Nduka-Agwu: Die weiße Darstellung "Afrikas" / Wie ein Kontinent genormt, verformt und verdunkelt wird. Webseite der Aktion Dritte Welt e.V.
Literatur
- Barbara Wagner und Matthias Winzen: Afrika mit eigenen Augen / Vom Erforschen und Erträumen eines Kontinents, Verlag Athena, 2012
- Roy Richard Grinker, Stephen C. Lubkemann und Christopher Steiner: Perspectives on Africa / A Reader in Culture, History and Representation, Blackwell Publishing, 2010
- Leonhard Harding: Geschichte Afrikas im 19. und 20. Jahrhundert, R. Oldenbourg Verlag, München 1999
- Wolfgang Kraus: Islamische Stammesgesellschaften / Tribale Identitäten im Vorderen Orient in sozialanthropologischer Perspektive, Böhlau Verlag, 2004
- J. Lonsdale: Ethnicité, morale et tribalisme politique, Politique Africaine, 61, Seite 98 - 115
- David Wiley: Using “Tribe” and “Tribalism” to misunderstand African Societies, Department of Sociology and African Studies Center der Michigan State University, 2013
Einzelnachweise
- ↑ Susan Arndt: Kritische Betrachtungen der deutschen Afrikaterminologie, Bundeszentrale für politische Bildung
- ↑ Susan Arndt: Mythen von Afrika. ,Rasse‘ und Rassismus in der deutschen Afrikaterminologie, (PDF, 856 kB), Aptum - Zeitschrift für Sprachkritik und Sprachkultur, 2. Jahrgang, 2006, Heft 3, Seite 257-274
Andere Lexika
Wikipedia kennt dieses Lemma (Die Einteilung der Menschen Afrikas in „Stämme“) vermutlich nicht.