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Musik im Nationalsozialismus: Unterschied zwischen den Versionen

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Jüdischer Musikbolschewismus
Anmerkung
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* Musikalische Werke die unerwünschte gesellschaftliche Inhalte oder jüdische Thematik transportierten bzw. angeblich transportierten, verschwanden ebenfalls von den Spielplänen. Dies betraff allerdings nur wenige, vor der NS-Zeit entstandene Werke wie z.B. ''Samuel Goldenberg und Shmuyle'' aus [[Modest Mussorgski]]s ''Bildern einer Ausstellung'', [[Sergei Prokoffiev]]s ''Ouvertüre über hebräische Themen'', [[Maurice Ravels]] Werk ''Deux mélodies hébraiques'', oder Max Bruchs [[Kol Nidrei]]. Allerdings hielt man Bruch wegen diesem Werk irrtümlich für einen Juden, so dass seine Werke damals von den Programmplänen verschwanden. Generell aber bedeuteten solche einmaligen "Ausrutscher" aber nicht automatisch, dass das Gesamtwerk eines Komponisten verpönt war und/oder er in der Musikwissenschaft abgewertet wurde. Ab 1933 in Deutschland entstandene Werke waren nicht betroffen, da verständlicherweise kein Komponist so naiv bzw. dämlich war, ausgerechnet Werke über jüdische Themen oder beispielsweise [[Karl Liebknecht]]s Leben zu komponieren.
* Musikalische Werke die unerwünschte gesellschaftliche Inhalte oder jüdische Thematik transportierten bzw. angeblich transportierten, verschwanden ebenfalls von den Spielplänen. Dies betraff allerdings nur wenige, vor der NS-Zeit entstandene Werke wie z.B. ''Samuel Goldenberg und Shmuyle'' aus [[Modest Mussorgski]]s ''Bildern einer Ausstellung'', [[Sergei Prokoffiev]]s ''Ouvertüre über hebräische Themen'', [[Maurice Ravels]] Werk ''Deux mélodies hébraiques'', oder Max Bruchs [[Kol Nidrei]]. Allerdings hielt man Bruch wegen diesem Werk irrtümlich für einen Juden, so dass seine Werke damals von den Programmplänen verschwanden. Generell aber bedeuteten solche einmaligen "Ausrutscher" aber nicht automatisch, dass das Gesamtwerk eines Komponisten verpönt war und/oder er in der Musikwissenschaft abgewertet wurde. Ab 1933 in Deutschland entstandene Werke waren nicht betroffen, da verständlicherweise kein Komponist so naiv bzw. dämlich war, ausgerechnet Werke über jüdische Themen oder beispielsweise [[Karl Liebknecht]]s Leben zu komponieren.


* Der Ungnade des Regimes verfielen Kompositionen und Musiker die eine zu moderne und gewagte musikalische Sprache verwandten. Ein absolutes No-Go waren über weite Strecken oder gänzlich freitonale bzw. atonale und nach der Zwölftontechnik verfasste Werke, <ref>Brunhilde Sonntag, Hans-Werner Boresch und Detlef Gojowy: ''Die dunkle Last - Musik und Nationalsozialismus'', Band 3 der Schriften zur Musikwissenschaft und Musiktheorie, Verlag Bela, 1999, S. 223</ref> die als Ausfluss eines "jüdischen Musikbolschewismus" galten. <ref>Eckhard John: ''Musikbolschewismus'', Verlag J.B. Metzler, 1994, S. 266</ref>
* Der Ungnade des Regimes verfielen Kompositionen und Musiker die eine zu moderne und gewagte musikalische Sprache verwandten. Ein absolutes No-Go waren über weite Strecken oder gänzlich freitonale bzw. atonale und nach der Zwölftontechnik verfasste Werke, <ref>Brunhilde Sonntag, Hans-Werner Boresch und Detlef Gojowy: ''Die dunkle Last - Musik und Nationalsozialismus'', Band 3 der Schriften zur Musikwissenschaft und Musiktheorie, Verlag Bela, 1999, S. 223</ref> die als Ausfluss eines "jüdischen Musikbolschewismus" <ref>Anm.: Das nationalsozialistische ''Amt für Kunstpflege'' gab 1935 eine
Auch Kompositionen die sich in anderer Hinsicht (z.B. instrumentationstechnisch oder in der Dissonanzbehandlung) allzu revolutionär gebärdeten, galten als unerwünscht. Solche Werke wurden in der Ausstellung [[Entartete Musik]] dem Publikum exemplarisch zur Abschreckung vor Augen bzw. Ohren geführt. Klare musikalische Kriterien anhand denen man die Grenze zwischen vom Regime tolerierter und als "entartet" abgelehnter Moderne zog waren allerdings nicht vorhanden. Dies führte öfters zu Problemen wie das musikalische Werk eines Komponisten im Einzelfall ideologisch zu bewerten sei. Dies wird am Beispiel von [[Paul Hindemith]] deutlich: Nach seiner avandgardistisch-experimentellen Phase zur Zeit der Weimarer Republik (''Cardillac, Das Nusch-Nuschi, Mörder - Hoffnung der Frauen'') war er später zu einer gemäßigteren, manchmal klassizistisch wirkenden Formsprache gelangt. Sein Werk wurde befremdlicherweise zum Teil als Vorbote einer spezifisch nationalsozialistischen Moderne gesehen, gleichzeitig bzw. parallel dazu von anderen aber auch als "verjudet" und "entartet" diffamiert. <ref>Michael H. Kater: ''Paul Hindemith - Der widerwillige Emigrant''; in Michael Kater: ''Komponisten im Nationalsozialismus - Acht Porträts'', Berlin, 2004, S. 47 ff.</ref>
''Liste der Musikbolschewisten'' heraus.</ref> galten. <ref>Eckhard John: ''Musikbolschewismus'', Verlag J.B. Metzler, 1994, S. 266</ref> Auch Kompositionen die sich in anderer Hinsicht (z.B. instrumentationstechnisch oder in der Dissonanzbehandlung) allzu revolutionär gebärdeten, galten als unerwünscht. Solche Werke wurden in der Ausstellung [[Entartete Musik]] dem Publikum exemplarisch zur Abschreckung vor Augen bzw. Ohren geführt. Klare musikalische Kriterien anhand denen man die Grenze zwischen vom Regime tolerierter und als "entartet" abgelehnter Moderne zog waren allerdings nicht vorhanden. Dies führte öfters zu Problemen wie das musikalische Werk eines Komponisten im Einzelfall ideologisch zu bewerten sei. Dies wird am Beispiel von [[Paul Hindemith]] deutlich: Nach seiner avandgardistisch-experimentellen Phase zur Zeit der Weimarer Republik (''Cardillac, Das Nusch-Nuschi, Mörder - Hoffnung der Frauen'') war er später zu einer gemäßigteren, manchmal klassizistisch wirkenden Formsprache gelangt. Sein Werk wurde befremdlicherweise zum Teil als Vorbote einer spezifisch nationalsozialistischen Moderne gesehen, gleichzeitig bzw. parallel dazu von anderen aber auch als "verjudet" und "entartet" diffamiert. <ref>Michael H. Kater: ''Paul Hindemith - Der widerwillige Emigrant''; in Michael Kater: ''Komponisten im Nationalsozialismus - Acht Porträts'', Berlin, 2004, S. 47 ff.</ref>


== Nationalsozialistische Musikästhetik? ==
== Nationalsozialistische Musikästhetik? ==

Version vom 10. Juli 2011, 13:17 Uhr

Unter dem Begriff Musik im Nationalsozialismus versteht man das kompositorische und ausübende Musikschaffen unter der nationalsozialistischen Diktatur im Deutschen Reich zwischen 1933 und 1945. Die Definition einer eigenständigen nationalsozialistischen Musikästhetik ist kaum möglich. Die Unterdrückung und Verfolgung von Musik und Musikern aus rassistischen oder weltanschaulichen Gründen war dagegen weit verbreitet.

Systemübergreifender Zusammenhang

Die Unterdückung der freien Entfaltung der Kunst, und in diesem Fall der Musik, ist kein alleiniges Merkmal der nationalsozialistischen Diktatur. Sie ist in mehr oder minder starkem Maße in allen weltanschaulich-ideologisch ausgerichteten Systemen zu beobachten. Das andere exemplarische Beispiel des 20. Jahrhunderts dafür ist die sowjet-bolschewistische Diktatur in Russland. So schreibt z.B. der Musikwissenschaftler Hans Heinz Stuckenschmidt:

Die sozialbedingte und erzwungene Form des Autodafés findet sich in Staatssystemen aller Art, daß heißt solchen, die keine Autonomie der Kunst, einer Disziplin, einer geistigen Verhaltensweise außerhalb der Gesellschaft zu dulden bereit sind. Ihr klassischer Fall in der kirchlichen Musik ist der Palestrinas nach dem Tridentiner Konzil; ihre modernen Wiederholungen waren in faschistischen Diktaturen und sind im Bereich der kommunistischen Staaten zu beobachten. Der berühmteste Fall solcher modernen Autodafés ist der des größten Komponisten, den das sowjetische Russland erzogen hat, Dimitri Schostakowitschs. [1]

Gründe von Diskriminierung und Verfolgung

Es gab mehrere Ursachen dafür dass Kompositionen bzw. Musiker in der Zeit zwischen 1933 bis 1945 Diskriminierungen bis zur Verfolgung an Leib und Leben ausgesetzt waren. Diese Diskriminierung konnte, unabhängig vom musikalischen Inhalt, ihrer Ursachen in der jeweiligen Personen selber , aber auch in rein innermusikalischen Elementen ohne Bezug zur Person haben. Man kann grob folgende Gründe anführen:

  • Die Tatsache dass ein Musiker zu einer aus rassistischen Gründen nicht erwünschten Bevölkerungsgruppe, meist dem Judentum, zählte. Welche Art von Musik derjenige dann komponierte bzw. aufführte, spielte dabei keine zusätzliche Rolle mehr. So hätte es dem jüdischen Komponisten Arnold Schönberg auch nicht viel genutzt, wenn er anstatt der damals verpönten Zwölftonmusik konventionelle, tonale Werke verfasst hätte. Auch das Verschwinden der Werke des jüdischen Komponisten Gustav Mahler von den Spielplänen beruhte allein auf seiner jüdischen Herkunft. Rein innermusikalisch wären seine Werke, die sich im wesentlichen nicht groß von den teilweise spätromantischen Werken anderer im NS-Kulturbetrieb geschätzter Komponisten wie Richard Strauss oder Hans Pfitzner unterschieden, durchaus mit dem "Musikgeschmack" der Führung kompatibel gewesen. Dies Prinzip galt auch für die Musik und Musiker der ebenfalls als rassisch unerwünscht eingestuften Sinti und Roma. Musik von osteuropäischen Komponisten wie z.b. Smetana, Tschaikowsky, und anderen wurde - obwohl "der Slawe" offiziell natürlich auch als "Untermensch" galt - nicht direkt unterdrückt und weiterhin aufgeführt.
  • Musik und Musiker die sich in ihren politisch-gesellschaftlichen Äußerungen gegen das Regime und seine Ideologie wandten waren selbstverständlich, unabhängig von deren Musik selber, auch verpönt und wurden verfolgt. Die sozialistisch intendierte Dreigroschenoper der Kommunisten Berthold Brecht und Kurt Weill wurde verständlicherweise ebensowenig aufgeführt wie z.B. Igor Strawinskys pazifistisch zu verstehendes Werk L’Histoire du soldat.
  • Musikalische Werke die unerwünschte gesellschaftliche Inhalte oder jüdische Thematik transportierten bzw. angeblich transportierten, verschwanden ebenfalls von den Spielplänen. Dies betraff allerdings nur wenige, vor der NS-Zeit entstandene Werke wie z.B. Samuel Goldenberg und Shmuyle aus Modest Mussorgskis Bildern einer Ausstellung, Sergei Prokoffievs Ouvertüre über hebräische Themen, Maurice Ravels Werk Deux mélodies hébraiques, oder Max Bruchs Kol Nidrei. Allerdings hielt man Bruch wegen diesem Werk irrtümlich für einen Juden, so dass seine Werke damals von den Programmplänen verschwanden. Generell aber bedeuteten solche einmaligen "Ausrutscher" aber nicht automatisch, dass das Gesamtwerk eines Komponisten verpönt war und/oder er in der Musikwissenschaft abgewertet wurde. Ab 1933 in Deutschland entstandene Werke waren nicht betroffen, da verständlicherweise kein Komponist so naiv bzw. dämlich war, ausgerechnet Werke über jüdische Themen oder beispielsweise Karl Liebknechts Leben zu komponieren.
  • Der Ungnade des Regimes verfielen Kompositionen und Musiker die eine zu moderne und gewagte musikalische Sprache verwandten. Ein absolutes No-Go waren über weite Strecken oder gänzlich freitonale bzw. atonale und nach der Zwölftontechnik verfasste Werke, [2] die als Ausfluss eines "jüdischen Musikbolschewismus" [3] galten. [4] Auch Kompositionen die sich in anderer Hinsicht (z.B. instrumentationstechnisch oder in der Dissonanzbehandlung) allzu revolutionär gebärdeten, galten als unerwünscht. Solche Werke wurden in der Ausstellung Entartete Musik dem Publikum exemplarisch zur Abschreckung vor Augen bzw. Ohren geführt. Klare musikalische Kriterien anhand denen man die Grenze zwischen vom Regime tolerierter und als "entartet" abgelehnter Moderne zog waren allerdings nicht vorhanden. Dies führte öfters zu Problemen wie das musikalische Werk eines Komponisten im Einzelfall ideologisch zu bewerten sei. Dies wird am Beispiel von Paul Hindemith deutlich: Nach seiner avandgardistisch-experimentellen Phase zur Zeit der Weimarer Republik (Cardillac, Das Nusch-Nuschi, Mörder - Hoffnung der Frauen) war er später zu einer gemäßigteren, manchmal klassizistisch wirkenden Formsprache gelangt. Sein Werk wurde befremdlicherweise zum Teil als Vorbote einer spezifisch nationalsozialistischen Moderne gesehen, gleichzeitig bzw. parallel dazu von anderen aber auch als "verjudet" und "entartet" diffamiert. [5]

Nationalsozialistische Musikästhetik?

In wie weit sich im Dritten Reich auch eine eigene, nationalsozialistische Musikästhetik entwickelte ist in der Forschung umstritten. Die Mehrzahl der Forscher bestreitet die Existenz einer einheitlichen und/oder auch nur in Ansätzen konsequent durchgesetzten, faschistischen Musikästetik. Als Stichworte einer nationalsozialistischen Musikästhetik werden von der Forschung mitunter vage Begriffe wie z.B. Monumentalität, Heroisch oder Erhabenheit ins Feld geführt. Der Musikwissenschaftler Wolf Frobenius nennt beispielsweise als Merkmal nationalsozialistischer Musikästhetik die "Monumentalität des Kollektivausdrucks". [6] Jörg Heininger sieht im Nationalsozialismus und seiner Musikästhetik eine "Politisierung der Ästhetik als einer Ästhetik des Erhabenen". [7]

Einzelnachweise

  1. Hans Heinz Stuckenschmidt: Schöpfer der Neuen Musik, dtv, München, 1962, S. 190
  2. Brunhilde Sonntag, Hans-Werner Boresch und Detlef Gojowy: Die dunkle Last - Musik und Nationalsozialismus, Band 3 der Schriften zur Musikwissenschaft und Musiktheorie, Verlag Bela, 1999, S. 223
  3. Anm.: Das nationalsozialistische Amt für Kunstpflege gab 1935 eine Liste der Musikbolschewisten heraus.
  4. Eckhard John: Musikbolschewismus, Verlag J.B. Metzler, 1994, S. 266
  5. Michael H. Kater: Paul Hindemith - Der widerwillige Emigrant; in Michael Kater: Komponisten im Nationalsozialismus - Acht Porträts, Berlin, 2004, S. 47 ff.
  6. Wolf Frobenius: Politisierung der Ästhetik zwecks Ästhetisierung der Politik, in Freiburger Universitätsblätter 19, 1980, S. 53
  7. Zitiert nach Sinje Ewert: Musik im "Dritten Reich"; in Helmut Nauhaus (Hrsg.): Archiv für Kulturgeschichte, Band 91, Heft I, 2009, Böhlau Verlag, Köln/Weimar/Berlin, S. 226 ff.