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Kolonisation in Santa Catarina
Jutta Blumenau-Niesel Die Rolle der Frau im brasilianischen Urwald
Am 25. Juli, dem Tag des Einwanderers, gedenken Brasilianer, deren Vorfahren einst aus Deutschland und anderen europäischen Ländern kamen, der bahnbrechenden Taten ihrer Vorfahren, die den Urwald in blühende Kulturlandschaften verwandelten, Städte bauten, die auch heute vorbildlich sind wie die bekannte und schöne Stadt Blumenau. Maßgeblichen Anteil am Gedeihen des großen Werkes hatten die Frauen, deren Verdienste auch heute noch in der Öffentlichkeit zu wenig beachtet und gewürdigt werden.
Nachdem im neunzehnten Jahrhundert Sklavenarbeit mehr und mehr eingeschränkt, ab 1888 in Brasilien ganz verboten war, suchte die brasilianischen Regierung Pioniere, die das weite, von Urwald bedeckte Land freiwillig urbar machen und besiedeln wollten. Er dachte an Europäer, besonders an Deutsche.
Zwar zogen die meisten Emigranten von Europa nach Nordamerika, aber jene, die Südbrasilien zu ihrer neuen Heimat erkoren, haben es nicht bereut.
Deutschen Auswanderern sagte das gemäßigte Klima von Rio Grande do Sul und Santa Catarina eher zu, als die tropischen Regionen. Deshalb ließen sie sich überwiegend im Süden nieder. Männer und Frauen schufen gemeinsam eine zweite Heimat in Brasilien, die später ihre erste wurde.
Die für uns heute unfassbaren Strapazen beschreibt Emilie Heinrichs in ihrem Bericht von 1911 „Nichts als Wald, Wald, Urwald war hier zu sehen. Wir standen auf der schmalen Straße, die durch den Wald geschlagen und zum Teil wieder zugewachsen war. Neben uns lagen die Kisten, die wir mitgebracht hatten. Ein Teil nur, das meiste hatten wir zurückgelassen in der Pikade (Waldschneise) von Bom Jesus. Was nun, wohin mit den Sachen? Der Wald konnte uns nicht aufnehmen, kein Schritt ließ sich dahinein tun, er war dicht wie eine Mauer. Mein guter Freund, der „pai“ (Vater) wußte Bescheid. Er nahm ein sichelartiges Beil, das an einem langen Stiel befestigt war, suchte einen passenden Baum am Waldrand und schlug das Unterholz, Rohr und Bambus, dort fort“. Jeder Meter musste dem undurchdringlichen Wald abgerungen werden. Dabei halfen zahllose Frauen setzten sich, ebenso wie die Männer, schweren Strapazen und großen Gefahren aus. „Mein Mann und ich griffen mit zu, und eine Stunde darauf saßen wir unter dem dichten Dach eines Urwaldriesen – unsere erste Wohnung im Urwald. Dann nahm der „Vater“ Abschied. Mein Mann begleitete ihn ein Stück des Weges. Als er zurück kam saß ich auf einer Kiste unter dem großen Baum und –- weinte. Und hätte es mein Leben gekostet, ich hätte die Tränen nicht zurückhalten können.“ „.....Doch hier half kein Weinen und kein Klagen, hier mußte gehandelt werden.“
Ihre erste Nacht verbrachten die Heinrichs ohne Schutzhütte im Urwald.
Emilie notiert:
Der Abend nahte, wo sollten wir schlafen? Es gab jetzt nur einen Platz: hier unter dem Urwaldriesen auf eigenem Grund und Boden. Eine Kiste mit Betten und Decken wurde ausgepackt. Die fünf Kisten die wir hier hatten, wurden so gestellt, dass sie ganz gut eine Bettstelle vorstellen konnten, zwei rechts, zwei links und eine am Kopfende, der Kistendeckel wurde am Fußende an den Seitenkisten angenagelt. Decken und Bettzeug hatten wir genügend. Der Waldboden als Bett, den Urwaldbaum als Wohnung, das war abenteuerlich genug.
Romantisch aber, wie manche sich das Leben im Urwald vorstellten, war es nicht. Emilie Heinrichs kennt es aus eigener Erfahrung und schreibt: Romantisch wenn man es liest ! ( aber) es ist nicht so verlockend wenn man es mitmachen muß. Wo bleibt die Romantik, wenn man daliegt, sieht hinauf zu den Sternen und denkt dabei an die großen Schlangen, Riesenspinnen, Skorpione und Tausendfüßler, die beim Schlaf zu einem herankriechen und gefährlich werden können.
Nicht nur Emilie Heinrichs hatte Angst. Meist fürchteten sich Frauen mehr vor den Gefahren der unbekannten und bedrohlichen Wildnis, als Männer.
Um einigermaßen sicher zu sein, musste schnellstens eine Unterkunft hergestellt werden. Das war ein mit Palmblättern gedeckter Verschlag aus dünnen, ungehobelten, Baumstämmen (Palmiten), die mit Schlingpflanzen (Cipo), zusammengehalten wurden. Diese Technik hatten die „Neubrasilianer“ den Indios abgeschaut, denn eine Unterkunft, ein rancho, ließ sich nur mit den Mitteln, die der Urwald hergab, bauen. Das Grauen der ersten Nacht hielt Emilie Heinrichs lange wach. Durch unbekannte Geräusche wurde sie aus kurzem, unruhigen Schlaf gerissen:
Schon dämmerte der neue Tag, da schlief ich für ein paar Stunden ein. Ich wurde aufgeweckt von den schweren Axtschlägen, die durch den Wald dröhnten. Mein Mann hatte die Arbeit als Kolonist begonnen.
Doch keiner Frau blieb erspart, beim „Roça schlagen“, so nannten Siedler die Waldarbeit, mit vollem Einsatz zuzugreifen. Später, wenn die Familie ein Dach über dem Kopf hatte, verlagerten sich die Pflichten mehr auf Haus, Hof, Garten und Familie, und nun zeigte sich, dass Frauen mehr und länger, wenn auch nicht so schwer wie in der Anfangszeit, arbeiten mussten und konnten.
Frauen kurierten ihre Krankheiten selber – wer sollte sie betreuen? Kranke Männer mussten sehr schnell gesund gepflegt werden, denn jeder Tag und jede Stunde die nicht zur Arbeit genutzt wurden, verzögerten den Fortschritt. Tempo und Fleiß waren unabdingbar, um das erträumte, selbstbestimmte Leben zu verwirklichen.
Männer wie Frauen waren durchdrungen von der Sehnsucht nach einer neuen, besseren Heimat, erfüllt von dem dringenden Verlangen, ihr eigenes Stück Land in eigener Regie, ohne Unterdrückung und Ausbeutung „von oben“ zu besitzen und zu bestellen. Das verlieh ihnen ungeahnte Kräfte. Deshalb überstanden sie Naturkatastrophen und Hochwasser, Überfälle von Indios und Krankheiten mit unbeugsamem Lebenswillen, mit Ausdauer, Beharrlichkeit und mit Geduld. Unfälle, Verletzungen und zerschundene Hände gehörten zum Alltag im Urwald.
Verstohlen besah mein Mann....seine Hände. Da gab es die ersten Blasen. Ja, Waldschlagen ist eine schwere Arbeit. „Nach dem Kaffeetrinken wußte ich nicht, was ich anfangen sollte. Unsere „Wohnung“ machte keine Arbeit. (Anm. das sollte sich sehr bald ändern). Ich ging zu meinem Mann, der in Schweiß gebadet bei der Arbeit war. Zwei Bäume lagen am Boden, .... ... der Anfang der neuen Kolonie! Ich nahm prüfend die Buchhechel (Axt) zur Hand, womit das Unterholz entfernt wurde; mein Mann lachte als er sah, wie ungeschickt ich damit umging. Das war eben kein Kochlöffel und auch keine Nähnadel – damit zu arbeiten – das mußte gelernt werden“ Eine gute Kolonistenfrau muß auch das können, und ich wollte eine gute Kolonistin werden.
Starker Wille konnte „Berge versetzen.“ Und die Hilfsbereitschaft erfahrener Siedlerfamilien tat ein übriges, den Neulingen Mut zu machen. Sie halfen, wie auch die Kolonieleitung, anfangs mit Rat und Tat, mit Werkzeugen, Lebensmitteln, Sämereien, hier und da auch mit Kleinvieh, weiter.
Ehepaare hatten es weniger schwer als alleinstehende Männer. Sie erkannten bald, dass Zusammenarbeit mit Frauen unentbehrlich für gedeihliches Fortkommen in der Fremde war. Aber Frauen gehörten in der Kolonie zu einer gesuchten Spezies. Findige Blumenauer Junggesellen studierten deshalb die Einwandererlisten, um sich – wenigstens prophylaktisch – eine Braut „vorzumerken“.
Schon in den frühen fünfziger Jahren errichteten die Siedler Sägewerke und Ziegeleien. Nun wurden die ersten primitiven Hütten, in denen die Frau anfangs das Essen auf dem Boden zubereiten musste, durch Fachwerkhäuser ersetzt. Einige davon gibt es noch heute in Blumenau und Umgebung. Mittelpunkt eines jeden Häuschens war eine primitive Küche, in der vorerst auch Kleinvieh untergebracht war.
In kleinen Läden, vendas genannt, gab es Lebensmittel. Das Sortiment bestand aus meist schimmelüberzogenem Dörrfleisch, ranzigem Speck mit strengem Beigeschmack und oft von Käfern zerfressenen schwarzen Bohnen. Humorvolle Zeitgenossen lieferten höchst drastische Beschreibungen dieser „Delikatessen“: Da steht ein Fass mit Santosspeck. Der Deckel ist beschwert, wahrscheinlich, weil sonst die Maden mit dem Speck davon liefen....
Klar, dass die Hausfrau umgehend Gemüse und Obst anbaute, Federvieh anschaffte. Bald standen auch Kühe und Schweine im Stall. Milch und Eier bereicherten den Speiseplan, und an Festtagen gab es Hühnerfleisch.
Nach und nach wurde, dank außergewöhnlichem Fleiß aller Familienmitglieder, dank weiblichem Einfallsreichtum und Improvisationstalent, der einfache Wohnsitz im Urwald zum Mittelpunkt eines genügsamen und glücklichen Lebens. Denn Frauen und Männer, bis an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gefordert, wussten des Abends beim Licht der mit stinkendem Fischtran betriebenen Lampe, beim Schein der hell leuchtenden Glühwürmchen unter Glas(!), dass jeder sein Bestes gegeben hatte, dass man nun guten Gewissens müde sein durfte. Der Erfolg machte die männlichen und weiblichen Urwaldpioniere froh und zufrieden. Sonntags in der Kirche dankten sie Gott für ihre Befreiung von Not und Elend vergangener Zeiten. Nun war Brasilien ihre neue Heimat.
Immer aber blieb für die Kolonistenfrau mehr zu tun, als allgemein üblich. Das wird beim Besuch des Museums der „Familia Colonial“ in Blumenau deutlich: Die Zimmer waren, noch bevor das Städtchen sein 50jähriges Jubiläum im Jahr 1900 feierte, geradezu elegant möbliert. Doch zeigt ein Blick in die Küche, dass hier der Fortschritt noch keinen Einzug gehalten hatte. Folglich kosteten alle Verrichtungen viel Zeit, und die Mutter ist frühmorgens als Erste auf den Beinen. Bevor sie das Frühstück zubereitet, füttert sie das Federvieh, melkt die Kühe, pflückt Obst, erntet Gemüse für das Mittagessen. Danach weckt sie den Mann, später die Kinder, die sie versorgt. Dann setzt sich die Familie an den gedeckten Frühstückstisch.
Während der Vater vormittags auf der „roa“, dem Acker, arbeitet, backt sie Brot, entfernt das allgegenwärtige Unkraut im Garten, bessert Wäsche aus, kocht das Mittagessen. Wurden ein Kind oder der Mann krank, pflegte die Mutter ihr Liebstes, setzte im Ernstfall alles daran, einen Arzt zu erreichen auf dessen Heilkunst sie, manchmal vergebens, alle Hoffnung setzte. Emilie Heinrichs Mann wurde lebensgefährlich krank. Ein Arzt kam erst, nachdem sie lange und verzweifelt gesucht hatte. Er rettete Heinrichs Leben, aber nicht seine Gesundheit. Starb ein Kolonist, was in der Wildnis öfter geschah als in Deutschland, war das Elend grenzenlos. Doch wurden tapfere Kolonistenfrauen auch mit diesem Schicksalsschlag fertig.
Jedenfalls gab es keine Ruhe, und am späten Nachmittag sehen wir die Kolonistenfrau an der Seite ihres Mannes auf dem Feld. Oft genug musste auch sie den Boden umgraben, pflügen, das Gespann führen.
Am siebenten Tag der Woche – nach biblischem Brauch soll der Mensch ruhen - geht‘s zur Kirche. Während sich der Vater noch auf dem Sofa ausruht, die Kinder vor dem Haus spielen, kocht Mutter das Sonntagsessen, bügelt die Sonntagskleidung – denn schließlich – was sollen die Leute denken, wenn etwas nicht in Ordnung ist...
Nicht nur die Bäuerin war Mittelpunkt und „Seele“ des Hauses, auch die Geschäftsfrau, die Gattin des Lehrers und des Pfarrers „standen ihren Mann“ als tüchtige Frauen und Mütter, als Beraterinnen mit praktischem Verstand und Lebensklugheit.
Immer aber blieb die Sehnsucht nach „Gemütlichkeit“ der deutschen Wohnstube, nach einem Idealzustand, den es nie wirklich gegeben hatte. Doch mischte sich diese Empfindung bald mit Stolz auf die neue, schließlich bessere Heimat: Brasilien.
Gertrud Busse Scheltzke, Heimatdichterin in Blumenau, Poetin deutscher Abstammung drückte diese Empfindungen so aus:
Fremde Länder, fremde Sterne lockten uns hinaus.
Unser Blick ging in die Ferne, wir entflohen ja so gerne,
eng war’s uns zu Haus.
Fremde Länder, fremde Sterne lockten uns hinaus. Heiß schmerzt Heimweh in der Ferne, ach, wie kehrten wir so gerne heim ins Elternhaus.
Doch Brasiliens sonn‘ge Auen stärkten Herz und Hand, geben Kraft und Selbstvertrauen hier von neuem aufzubauen uns ein Heimatland.
Fremde Länder, fremde Sterne lockten uns hinaus. Denn wir suchten in der Ferne, und Brasilien gab uns gerne hier ein Heim und Haus.
Fremde Länder, fremde Sterne lockten uns hinaus. Festverwurzelt in der Ferne, für dich steh‘n und fall‘n wir gerne, gastlich Land und Haus.
Dir, geliebtes Land der Sonne, weih‘n wir Herz und Hand. Uns’rer Kinder Freud und Wonne sind dein Wald und deine Sonne, Teures Heimatland.
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In seiner Plauderei zum 25. Juli 1949 beschreibt Leopoldo Petry die Kolonistenmutter: sie arbeitet, duldet, wirkt, schafft und opfert sich auf, ohne an Belohnung zu denken“ und fährt fort: „Heute, am Tage des Kolonisten, wenn überall auf der Kolonie die Gedanken an die Vergangenheit zurück sich wenden, will ich Dir, liebe Kolonistenmutter, diese Gedanken widmen: „Gott erhalte dich so, wie du immer warst, so wie du auch heute noch bist, denn so bist du die wertvollste Mitarbeiterin am Glück der Familie, an der Entwicklung unseres Staates und an der Größe unseres lieben Vaterlandes... Und wenn noch einmal ein Denkmal errichtet werden soll, das die Arbeiten, Kämpfe, Opfer, Entbehrungen, die Erfolge und Siege der Kolonisten zu verewigen bestimmt ist, dann wollen wir nicht vergessen, dir, der tapferen, unermüdlich tätigen, edlen Kolonistenmutter einen Ehrenplatz darauf zukommen zu lassen.
Vortrag von Jutta Blumenau-Niesel, Urenkelin von Dr. Hermann Blumenau, zur Einweihung eines Gedenksteins und Pflanzung einer Palme für die Kolonistenfrauen in Blumenau anläßlich der 150-Jahrfeier der Stadt am 2. September 2000.
Init-Quelle
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Erster Autor: Urgroßvater angelegt am 18.01.2010 um 16:34