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Kritik der Psychiatrie

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Die Kritik der Psychiatrie, auch als Antipsychiatrie oder antipsychiatrische Bewegung bezeichnet, entwickelte sich als politische und soziale Bewegung zwischen 1955 und 1975 unter anderem in Großbritannien, in Italien, den USA und in der Bundesrepublik Deutschland.[1] Die antipsychiatrische Bewegung umfasst verschiedene Gruppen mit unterschiedlichen Hintergründen. Sie konzentriert sich teilweise auf die Rolle einzelner Kranker innerhalb der Gesellschaft. Anlass für die Kritik war unter anderem die NS-Euthanasie.

Medizinsoziologische Untersuchungen haben gezeigt, dass für die Organisation psychiatrischer Einrichtungen häufig eigene Gesetzmäßigkeiten gelten. Diese Gesetzmäßigkeiten ergeben sich aus der gängigen Alltagspraxis im Umgang mit der klinischen Klientel, den organisatorischen Verflechtungen und Grenzen, weniger aus richtungsweisenden fachlichen Erkenntnissen. Die Abschaffung organisatorischer Mängel erfolgt nicht immer nach sozialpsychiatrischen Gesichtspunkten. Die Forderungen der Psychiatrie-Enquête von 1975 wurden nach Ansicht von Kritikern zu wenig in die Praxis umgesetzt und eher von wirtschaftlichen und pharmakologisch-technischen als von psychotherapeutischen Interessen geleitet.[2] Für den Personenkreis einzelner Kranker hat sich daher auch die eher neutrale Bezeichnung Betroffene oder Psychiatrie-Erfahrene eingebürgert und nicht die von Ärzten benutzte Bezeichnung Patient. Vielfach wird die Sichtweise der Medizinsoziologie übernommen, in der das ärztliche Handeln selbst zum Untersuchungsgegenstand gemacht wird und dadurch „eine Reihe von Krankheitsgegebenheiten und therapeutischen Ergebnissen als iatrogene Produkte“ ausgewiesen werden.[3] Dieser Einflussbereich ist heute auch als Gegenstand der Sozialpsychiatrie anerkannt. Ein weiterer Untersuchungsgegenstand ist die Politische Psychiatrie.

Es handelt sich bei den Diskussionen meist weniger um allgemeine Theorien und Mechanismen, vielmehr geht es oft um komplexer Einzelfälle von Kranken. Bei deren Einzelschicksalen stehen politische, institutionelle und gesellschaftliche Einwirkung und Bedingtheit in Frage. Solche Fälle lassen Rückschlüsse zu sowohl auf den oder die jeweils betroffenen Kranken und ihre Lernfähigkeit, als auch auf mögliche Reformbemühungen im Bereich der Psychiatrie und der Gesundheitspolitik. Eine einheitliche Methode besteht bei der Vielfältigkeit der Problemfälle nicht. Erich Wulff beschreibt, dass gewisse Reformbemühungen in vielen Einzelfällen schließlich zu einer politisch anerkannten Realität geführt haben.[4] Die Sozialpsychiatrie gilt zwar als wissenschaftstheoretisch anerkannter Arbeitsstil, erfüllt aber in der Realität oft genug nur die Aufgabe einer Selbstdarstellung und Selbstbestätigung für gewisse Kliniken, die sich einem sozialkritischen bzw. „sozialreligiösen“ Modetrend folgend (Peters) als sozialpsychiatrische Einrichtung selbst darstellen. Häufig werden damit nur Reformen vorgeben, wo sie in der Tat niemals stattgefunden haben.

, einer kritischen Psychiatrie kommt daher die Aufgabe zu einer Befreiung und Emanzipation von überflüssigem Zwang.[5] Sie besitzt aufklärerische Funktion. Eine veränderte Sichtweise psychischer Krankheit bezieht auch die Reaktion der Betroffenen als relevante politische Gruppierung mit ein, so z. B. in Form von politisch organisierten Betroffenenverbänden, Selbsthilfegruppen etc.[6]

Die optimale Lösung von Reformen, nämlich ohne Zwang auszukommen, scheitert vielfach daran, dass es den z. B. in einer rein institutionellen Arzt-Patient-Beziehung miteinander verzahnten Kontrahenten meist nicht bewusst ist, dass es sich um die Wiederholung von frühen familiären Verhaltensmustern handelt. Solche von Zwang geprägten Verhaltensmuster sind daher nicht nur im Falle der psychiatrischen Institution problematisch, es stellt sich auch die Frage, wie sie ggf. auch in der eigenen Familie vorgelebt wurden. Auf die Möglichkeit solcher Parallelität hat Stavros Mentzos hingewiesen. So gehen Lösungsstrategien häufig in einem Gewirr gegenseitiger Zwänge unter. Unbewusste Faktoren können dazu beitragen, dass unteroptimale Lösungsstrategien verfolgt werden wie die Reaktion mit Gegenzwang, die Reaktion mit zwanghaftem Ungehorsam oder die Abwehr durch Identifikation mit einer Führerfigur oder durch kollusives Arrangement.[7] [8] [9]

Literatur

  • J. Bopp: Antipsychiatrie. Frankfurt am Main 1982.
  • Wolfgang Schmidbauer: Im Körper zuhause - Alternativen für die Psychotherapie, Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1982
  • Peter R. Breggin: Giftige Psychiatrie. Auer, Heidelberg 1996, ISBN 3-927809-44-6.

Andere Lexika




Einzelnachweise

  1. Elisabeth Roudinesco, Michael Pion: Wörterbuch der Psychoanalyse. S. 45.
  2. Weinmann, Stefan: Erfolgsmythos Psychopharmaka. Warum wir Medikamente in der Psychiatrie neu bewerten müssen. Psychiatrie-Verlag, Bonn 12008, Fachwissen, ISBN 978-3-88414-455-8, 264 Seiten
  3. Siegrist, Johannes: Lehrbuch der Medizinischen Soziologie. Urban & Schwarzenberg, München 3 1977, ISBN 3-541-06383-1; (-,0): Seite 8; (-,1): Seiten 6, 15, 27, 30, 39, 147, 198, 224
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  7. Mentzos, Stavros: Psychodynamische Modelle in der Psychiatrie. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 21992, ISBN 3-525-45727-8; zu den Stw. „Zwang als Kompensation von Angst und das ambivalente Verhältnis zu diesem“; „Zwang als pathologisches psychosoziales Arrangement“; „Psychiatrisierung in der Sowjetunion“; „Antipsychiatriebewegung in den 60er und 70er Jahren“; „Gebrauch von Psychopharmaka“: in: Kap. VII. Die Beziehungen zwischen dem intrapsychischen und dem institutionellen Zwang, Seite 126-134.
  8. Mentzos, Stavros: Interpersonale und institutionalisierte Abwehr. Suhrkamp, Frankfurt / Main 21989
  9. Leuschner, Wilhelm: Psychiatrische Anstalten – ein institutionalisiertes Abwehrsystem. Teil I: Psychiatrische Praxis 1985; 12: 111; Teil II. Psychiatrische Praxis 1985; 12: 149-153