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| Der '''Nationalsozialismus''' ist eine radikal [[Antisemitismus|antisemitische]], [[Antikommunismus|antikommunistische]] und [[Demokratie|antidemokratische]] [[Weltanschauung]]<ref>S. Konrad Kwiet, in: ''[[Enzyklopädie des Nationalsozialismus]]'', Klett Cotta Verlag, Stuttgart 1997, S. 50.</ref> und [[politische Bewegung]]. Er entstand nach dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] in [[Deutschland]]. Seine in der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei]] (NSDAP) organisierten Anhänger gelangten unter [[Adolf Hitler]] 1933 zur Herrschaft und verwandelten das [[Deutsches Reich 1933 bis 1945|Deutsche Reich 1933 bis 1945]] in einen [[Totalitarismus|totalitären]] „Führerstaat“. Mit dem [[Polenfeldzug]] 1939 lösten sie den [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] aus, in dessen Verlauf sie zahlreiche [[Kriegsverbrechen]] und Massenmorde verübten, darunter als größten den [[Holocaust]] (1941–1945). Die [[Zeit des Nationalsozialismus]] endete mit der [[Bedingungslose Kapitulation|bedingungslosen Kapitulation]] der [[Wehrmacht]] am 8. Mai 1945.
| | Unter '''Nationalsozialismus''' wird die Epoche des [[Drittes Reich|Dritten Reichs]] verstanden, welche von 1933 - 1945 währte. Wie der Name schon sagt, war der Nationalsozialismus ein [[Sozialismus]] mit nationaler Prägung. |
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| Die [[NS-Propaganda]] und politische Organisation – auch mit den damaligen Symbolen – ist in der [[Deutschland|Bundesrepublik Deutschland]] als [[Volksverhetzung]] und in [[Österreich]] als [[Verbotsgesetz 1947|Wiederbetätigung]] strafbar. In weiteren Staaten bestehen ähnliche Verbote. Im [[Neonazismus]] verschiedener [[Rechtsextremismus|rechtsextremer]] Parteien und Gruppen werden nationalsozialistische Ideen und Ziele wieder aufgenommen.
| | Da die Ideen des Nationalsozialismus zu modernistischen Auffassungen grundverschieden sind, stoßen sie bei Anhängern dieses [[Zeitgeist]]es auf wenig Gegenliebe. |
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| == Begriff == | | ==Aufarbeitung in der Wikipedia== |
| Die [[Propaganda]]bezeichnungen „Nationalsozialismus“ und „[[Nationaler Sozialismus]]“ entstammen der Programmatik der 1919 gegründeten [[Deutsche Arbeiterpartei|Deutschen Arbeiterpartei]] (DAP), die sich 1920 in NSDAP umbenannte.<ref>Albrecht Tyrell: ''Führer befiehl… Selbstzeugnisse aus der Kampfzeit der NSDAP'', Gondrom Verlag, Bindlach 1991, S. 119 u.ö.</ref> Schon im Mai 1918 benannte sich die 1903 in Österreich gegründete Deutsche Arbeiterpartei in [[Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei]] (DNSAP) um. Ihre Anhänger nannten sich „Nationalsozialisten“, manche ihrer Gegner nannten sie seit den 1920er Jahren, besonders aber seit dem Zweiten Weltkrieg, auch abwertend „[[Nazi]]s“.<ref>Artikel ''Nazi'', in: Friedrich Kluge, Elmar Seebold: ''Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache'', Walter de Gruyter, 24. Auflage, Berlin/New York 2002, ISBN 3110174731;
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| [http://www.etymonline.com/index.php?term=Nazi Online Etymology Dictionary: ''Nazi'']</ref>
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| Beide Parteien stellten den „Nationalen Sozialismus“ gegen den [[Internationalismus|internationalistischen]] [[Sozialismus]] bzw. die [[Sozialdemokratie]].<ref>[[Rudolf Jung (Historiker)|Rudolf Jung]]: ''Der nationale Sozialismus.'' Troppau 1919, S. 32</ref>
| | In der Online-"Enzyklopädie" Wikipedia wird das Themenfeld rund um den Nationalsozialismus und die Aufarbeitung der damaligen Vorgänge von der Gruppe der [[Nationalsozialismus-Experte bei der Wikipedia|Nationalsozialismus-Experten bei der Wikipedia]] geleistet. |
| Sie verbanden einen völkisch-rassistischen [[Nationalismus]] mit einzelnen, dem Sozialismus entlehnten, antikapitalistischen Forderungen. Damit grenzten sie sich von konservativen und linksgerichteten Parteien ab und stellten sich für deren Wählerschichten – Arbeiter und Mittelstand – als Alternative dar. Zudem stellten die deutschen Nationalsozialisten sich seit 1920 als „Bewegung“, nicht als Partei dar, um so [[Protestwähler]] und Politikverdrossene zu erreichen.
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| Heute bezeichnet der Begriff meist die besondere Ideologie Adolf Hitlers und seiner Gefolgschaft in der NSDAP. Dabei definierte Hitler die Begriffe ''Nationalismus'' und ''Sozialismus'' auf ungewöhnliche Art und Weise: Nationalismus nannte er die Hingabe des Individuums für seine Volksgemeinschaft, während er Sozialismus als Verantwortung der Volksgemeinschaft für das Individuum definierte. Besonders die Vergesellschaftung der [[Produktionsmittel]], die ein Hauptziel originärer Sozialisten war und ist, lehnte Hitler entschieden ab.<ref>Joachim Fest: ''Hitler. Eine Biographie.'' 8. Auflage 2006, S. 411</ref>
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| Zudem wollten die Ideologen der NSDAP sich mit dem Begriff Nationalsozialismus vom italienischen [[Faschismus]] unterscheiden. Der Faschismusbegriff wurde jedoch vor allem in der [[Sowjetunion]] seit 1925, nach 1945 im ganzen [[Ostblock]], aber auch in westdeutschen Forschungsansätzen, als gemeinsamer Oberbegriff für den Nationalsozialismus („Hitlerfaschismus“), den [[Italienischer Faschismus|italienischen Faschismus]] und andere ihnen verwandte antikommunistische Ideologien, Regimes und Systeme verwendet. Vor allem von [[Marxismus|marxistischen]] Forschern wird der Nationalsozialismus als eine Spielart des Faschismus subsumiert, womit in den verschiedenen [[Faschismustheorie#Marxismus|Ausprägungen dieser Theorie]] eine diktatorische [[Bourgeoisie|bürgerliche]] [[Klasse (Soziologie)|Klassenherrschaft]] gemeint ist.
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| Besonders in den [[Vereinigte Staaten|USA]], teilweise auch in der Bundesrepublik, wurde der Nationalsozialismus nach 1945 als eine Form von [[Totalitarismus]] begriffen. Die Totalitarismustheorie stellt ihn mit Ideologie und System des [[Stalinismus]] auf eine Ebene und betont deren gemeinsame Herrschaftsformen. Die verallgemeinernden Einordnungen als Faschismus und Totalitarismus werden in der Forschung kontrovers diskutiert, vielfach wird der Nationalsozialismus als eigenständiges und singuläres Phänomen betrachtet. Der Begriff ''[[Nazismus]]'' kann als eingedeutschte Version des [[Englische Sprache|englischen]] Wortes ''nazism'' gesehen werden. Seine Verwendung war in der [[Deutsche Demokratische Republik|Deutschen Demokratischen Republik]], nicht der [[Bundesrepublik Deutschland]] üblich.
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| Anhänger des Nationalsozialismus nach dem Verbot der NSDAP werden im [[Nachkriegsdeutschland]] oft abwertend als ''[[Neonazi]]s'' bezeichnet.
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| == Entstehung ==
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| Das Gedankengebäude des Nationalsozialismus entstand nach dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] als Verschmelzung von Ideologemen und Zielen mehrerer älterer Gruppen aus der [[Völkische Bewegung|Völkischen Bewegung]] des [[Deutsches Kaiserreich|Deutschen Kaiserreichs]] und der [[Österreich-Ungarn|Österreich-Ungarischen Monarchie]], aber auch aus der späteren [[Sowjetunion]] wie den „[[Weiße Armee|Weißen]] Emigranten“. Dazu gehörten unter anderem
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| * rassistische und okkulte, sektenartige Vereine, die, ausgehend von den österreichischen [[Ariosophie|Ariosophen]] [[Guido von List]] und [[Lanz von Liebenfels]] seit 1900 gegründet worden waren: unter anderem die [[Guido-von-List-Gesellschaft]] (1905) oder die ''Armanenschaft'' (gegründet 1907). Aus diesen stammten unter anderem [[Runen]]symbole und das [[Hakenkreuz]]. Sie vertraten auch Ideen wie die „Menschenzucht“ von „[[Arier]]n“.
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| * betont antisemitische, auf kommunaler Ebene überparteilich organisierte Vereine und Verbände, vor allem der [[Reichshammerbund]] von [[Theodor Fritsch]]. In seinem Umfeld hatte sich nach der Niederlage der Antisemitenparteien bei den Reichstagswahlen von 1912 auch ein [[Verband gegen die Überhebung des Judentums]] gegründet. Zum Reichshammerbund gehörte der geheime [[Germanenorden]], aus dem 1918 die Münchner [[Thulegesellschaft]] hervorging. Aus ihrer Zeitschrift, dem ''Münchener Beobachter'' mit dem Hakenkreuz als Titelsymbol, wurde das Parteiorgan der NSDAP [[Völkischer Beobachter]]. Die Thulegesellschaft finanzierte die DAP, unterstützte in ihr Funktionäre wie Adolf Hitler und inszenierte 1923 den [[Hitlerputsch|Hitler-Ludendorff-Putsch]] mit. Sie förderte so den Aufstieg der NSDAP von einer bayerischen Splitterpartei zu einer reichsweit organisierten Massenpartei.
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| * radikal-nationalistische und imperialistische Verbände wie der 1891 gegründete [[Alldeutscher Verband|Alldeutsche Verband]]. Er verstand sich unter [[Heinrich Claß]] als überparteiliche Sammlungsorganisation und vertrat die Erweiterung des deutschen „[[Lebensraum]]s“ durch kriegerische Expansions- und Unterwerfungspolitik. Er gewann im Verlauf des Ersten Weltkriegs trotz geringer Mitgliederzahl großen publizistischen Einfluss und war Hauptinitiator der [[Judenzählung]] von 1916. Nach 1918 forderte er eine „nationale Diktatur“ gegen „Fremdvölkische“.
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| * ältere antisemitische Verbände und Parteien wie der [[Deutschnationaler Handlungsgehilfen-Verband|Deutschnationale Handlungsgehilfenverband]] und die [[Deutschvölkische Partei]], gegründet 1914 als Vereinigung zweier Antisemitenparteien. Sie vereinte sich im Kriegsverlauf mit dem Alldeutschen Verband. Auf dessen Initiative hin vereinten sich gegen Kriegsende aufgelöste mit neugegründeten völkischen Gruppen wie dem ''Deutsch-Österreichischen Schutzverein Antisemitenbund'', der ''Deutschvölkischen Beamtenvereinigung'' und dem ''Bund völkischer Frauen'' zum [[Deutschvölkischer Schutz- und Trutzbund|Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund]]. Dieser hatte 1920 rund 200.000 Mitglieder in 600 Ortsgruppen, wurde aber nach dem Hitler-Ludendorff-Putsch verboten. Nach der Wiederzulassung der NSDAP verlor er ihr gegenüber an Einfluss und wurde 1933 ganz aufgelöst.
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| * antibolschewistische und antisemitische Strömungen, die durch die Oktoberrevolution und deren Folgen extrem verstärkt<ref>Richard Pipes: ''Russia under the Bolshevik Regime''. 1994, S. 101, ISBN 0-679-76184-5; Johannes Baur: ''Die Russische Kolonie in München 1900–1945: deutsch-russische Beziehungen im 20. Jahrhundert''. Harrassowitz Verlag 1998, S. 199, ISBN 3-447-04023-8.</ref> und unter anderen von Flüchtlingen aus der Sowjetunion verbreitet wurden.<ref>Richard Pipes: ''Russia under the Bolshevik Regime.'' 1994, S. 258, ISBN 0-679-76184-5</ref><ref>{{Literatur|Autor=Michael Kellogg|Titel=The Russian roots of Nazism. White émigrés and the making of national socialism 1917–1945|Verlag=Cambridge Univ. Press|Ort=Cambridge|Jahr=2005|Seiten=227|ISBN=0-521-84512-2}}</ref><ref name="Laquer131">Walter Laqueur: ''Russia and Germany. A Century of Conflict, Little Brown and Company''. 1965 (Reprinted version 1990, Transaction Publishers, S. 131, ISBN 0-88738-349-1.)</ref> Hier sei auf die Bedeutung hingewiesen, die rechtsextreme Russen und Immigranten für die Gleichsetzung von Bolschewiki und Juden, das Ideologem „[[jüdischer Bolschewismus]]“, hatten.<ref name="Laquer131" /><ref>{{Literatur|Autor=Ernst Piper|Titel=Alfred Rosenberg: Hitlers Chefideologe|Auflage=1.|Verlag=Pantheon|Ort=München|Jahr=2007|Seiten=49, 74|ISBN=978-3-570-55021-2}}</ref> Eine besondere Rolle ist in diesem Zusammenhang der zu Beginn der Zwanziger Jahre in München entstandenen Organisation „[[Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung (Verbindungsorganisation)|Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung]]“ zugeschrieben worden, die eine enge Verbindung zur NSDAP hatte<ref name="Kellog275">{{Literatur|Autor=Michael Kellogg|Titel=The Russian roots of Nazism. White émigrés and the making of national socialism 1917–1945|Verlag=Cambridge Univ. Press|Ort=Cambridge|Jahr=2005|Seiten=275|ISBN=0-521-84512-2}}</ref> und die NSDAP nicht nur wirtschaftlich<ref>{{Literatur|Autor=Ernst Piper|Titel=Alfred Rosenberg: Hitlers Chefideologe|Auflage=1.|Verlag=Pantheon|Ort=München|Jahr=2007|Seiten=62|ISBN=978-3-570-55021-2}}</ref> unterstützt, sondern auch ideologisch<ref>{{Literatur|Autor=Michael Kellogg|Titel=The Russian roots of Nazism. White émigrés and the making of national socialism 1917–1945|Verlag=Cambridge Univ. Press|Ort=Cambridge|Jahr=2005|Seiten=243|ISBN=0-521-84512-2}}</ref><ref>Walter Laqueur: ''Russia and Germany. A Century of Conflict, Little Brown and Company''. 1965 (Reprinted version 1990 Transaction Publishers, S. 91, ISBN 0-88738-349-1.)</ref> beeinflusst hat. Zu den Mitgliedern von „Aufbau“ zählten [[Deutsch-Balten]] wie [[Max Erwin von Scheubner-Richter]] und [[Alfred Rosenberg]] sowie Russen wie [[Fedor Vinberg]] und [[Šabel’skij-Bork]].<ref name="Kellog275" />
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| Zu den geistig-politischen Wurzeln dieser Gruppen zählten der [[Rassismus]], [[Militarismus]] und [[Imperialismus]], die sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts besonders im Kaiserreich und in Österreich verbreiteten und schubweise zunahmen. Das stärkste tragende Bindeglied ihrer heterogenen Ideologien war jedoch der Antisemitismus, der sich im Verlauf der [[Novemberrevolution]] von 1918 und in den Folgejahren zugleich als radikale Ablehnung der [[Weimarer Verfassung]] äußerte. Die Weimarer Republik wurde dort allgemein als von [[Novemberverbrecher]]n geschaffene „Judenrepublik“ denunziert. Die Völkischen definierten ihre Weltanschauung als strikten Gegensatz zum [[Marxismus]] der Linksparteien, zum politischen [[Katholizismus]] der [[Zentrumspartei]] und zu ihrer Fiktion eines „[[Weltjudentum]]s“.
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| == Programmatik ==
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| === 25-Punkte-Programm ===
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| Der Nationalsozialismus bildete als Sammelbewegung völkischer, rassistischer und revisionistischer Gruppen zunächst keine konsistente Ideologie. [[Hans Frank]] erklärte daher später in den [[Nürnberger Prozesse]]n, es habe „so viele Nationalsozialismen wie Nationalsozialisten“ gegeben. Doch das bei der Gründung der NSDAP 1920 beschlossene [[25-Punkte-Programm]] sollte über seine praktische Erfüllung hinaus gelten, war also zugleich Ausdruck dauerhafter nationalsozialistischer Weltanschauung.
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| An erster Stelle standen außenpolitische Ziele. Aus dem „Zusammenschluss aller Deutschen … zu einem Groß-Deutschland“ mit Berufung auf das [[Selbstbestimmungsrecht der Völker]] leitete Punkt 2 die Aufhebung des [[Friedensvertrag von Versailles|Versailler Friedensvertrages]], Punkt 3 „Land und Boden (Kolonien) zur Ernährung unseres Volkes und Ansiedlung unseres Bevölkerungsüberschusses“ ab. Dem folgten innenpolitische Forderungen nach Ausgrenzung bestimmter Bevölkerungsteile durch eine rassistische Fremdengesetzgebung:
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| {{Zitat|Staatsbürger kann nur sein, wer Volksgenosse ist. Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist, ohne Rücksichtnahme auf die Konfession. Kein Jude kann daher Volksgenosse sein.}}
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| Daraus folgerte Punkt 6 den Ausschluss von Juden aus allen Staats- und Parteiämtern, Punkt 8 ein Einwanderungsverbot und sofortige Zwangsausweisung aller als „Nichtdeutsche“ definierten Personen, die seit 2. August 1914 eingewandert waren.
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| Die Leitidee der rassischen [[Volksgemeinschaft]] wurde also nach außen expansiv, nach innen als Entrechtung eines Teils der Deutschen ausformuliert. Dem folgten in Punkt 9–17 einige plakative und ressentimentgetränkte wirtschafts- und sozialpolitische Forderungen, die den Anspruch der Partei, die Interessen deutscher Arbeiter zu vertreten, zeigen sollten:
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| * allgemeine Arbeitspflicht
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| * „Abschaffung des Arbeits- und mühelosen Einkommens“
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| * „Brechung der Zinsknechtschaft“
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| * „Einziehung aller Kriegsgewinne“
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| * „Verstaatlichung aller (bisher) bereits vergesellschafteten (Trusts) Betriebe“
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| * „Gewinnbeteiligung an Großbetrieben“
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| * „Ausbau der Altersversorgung“
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| * „Schaffung eines gesunden Mittelstandes und seine Erhaltung“
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| * „Kommunalisierung der Groß-Warenhäuser und ihre Vermietung zu billigen Preisen an kleine Gewerbetreibende“
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| * „eine unentgeltliche Enteignung von Boden für gemeinnützige Zwecke“
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| * „Abschaffung des Bodenzinses und Verhinderung jeder Bodenspekulation“.
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| Punkt 18 forderte die [[Todesstrafe]] für „gemeine Volksverbrecher, Wucherer, Schieber usw. ohne Rücksichtnahme auf Konfession und Rasse“: erneut ein deutlicher Hinweis auf die gemeinte Zielgruppe, die Juden. Punkt 19 forderte den Ersatz eines angeblich „materialistischen“ römischen Rechtes durch ein „deutsches Gemeinrecht“.
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| Der Idee einer Einheit von Volk und Staat folgten Forderungen nach staatlichem Ausbau der Volksbildung (20), „Hebung der Volksgesundheit“ durch „körperliche Ertüchtigung“ (21), Bildung eines „Volkesheeres“ (22). Die angestrebte Abschaffung der [[Pressefreiheit]] und Einführung von [[Pressezensur]] wurde als „gesetzlicher Kampf gegen die bewußte politische Lüge und ihre Verbreitung“ (23) bemäntelt. Indem nur „Volksgenossen“ Zeitungsredakteure und Verlagseigentümer sein sollten, zeigte sich auch hier ein antisemitischer Impuls: Der Topos von der „jüdischen Weltpresse“ war unter Antisemiten seit langem üblich. Zugleich sollte auch Kunst und Kultur von dem „zersetzenden Einfluß auf unser Volksleben“ gereinigt werden: Dem entsprach die NS-Kulturpolitik gegen die „[[Entartete Kunst]]“.
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| Im scheinbaren Widerspruch dazu bekräftigte Punkt 24 die [[Religionsfreiheit]] „im Staat“, allerdings nur, „so weit sie nicht dessen Bestand gefährden oder gegen das Sittlichkeits- und Moralgefühl der germanischen Rasse verstoßen.“ Mit dem Bekenntnis zu einem „positiven [[Christentum]]“ ohne Bindung an eine bestimmte [[Konfession]], aber in einheitlicher Frontstellung gegen einen „jüdisch-materialistischen Geist in und außer uns“ war eine Voraussetzung für den späteren [[Kirchenkampf]] genannt. Die spätere antichristliche Einstellung der SS widersprach diesem Programmpunkt offensichtlich.
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| Das Programm gipfelte in der Parole „Gemeinnutz vor Eigennutz“ und der Forderung nach einer „[[Zentralismus|starken Zentralgewalt]] des Reiches“, deren in „unbedingter Autorität“ erlassene „Rahmengesetze“ neu gebildete Stände- und Berufskammern in den Bundesstaaten durchführen sollten. Damit deutete sich die spätere [[Gleichschaltung]]spolitik gegenüber föderalen Institutionen schon an. Die Parteiführer würden „wenn nötig unter Einsatz des eigenen Lebens“ für die Programmverwirklichung eintreten.
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| Während die außen- und innenpolitischen Hauptforderungen in Punkt 1–8 präzise und konkret formuliert waren und tatsächlich ab 1933 staatlich großenteils umgesetzt wurden, blieben viele der wirtschafts- und kulturpolitischen Forderungen in Punkt 9–20 vage (11), unklar (13), skurril (etwa die Behauptung eines „römischen“ Rechts in Punkt 19) oder praktisch unrealisierbar (etwa der „Einzug aller Kriegsgewinne“ in Punkt 14). Diese Unklarheiten führten zu einer teilweise heftigen internen Ideologiedebatte und verschiedenen Wirtschaftsprogrammen. [[Otto Wagener]] etwa forderte die Unterstützung des Mittelstandes, [[Richard Walther Darré]] die der Bauern, [[Gottfried Feder]] verlangte die von ihm erfundene „Brechung der Zinsknechtschaft“. Hitler trug diesem Streit als Parteiführer später zum Teil Rechnung, indem er einige Programmforderungen revidierte, reduzierte oder ignorierte. 1928 reduzierte er die angekündigte Bodenreform auf Enteignung „jüdischer“ Bodenspekulationsgesellschaften. Wie die „Zinsknechtschaft gebrochen“ werden sollte, ließ er jedoch offen.
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| === „Mein Kampf“ ===
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| In ''[[Mein Kampf]]'' bekräftigte Hitler vor allem die außen- und bevölkerungspolitischen Ziele des NSDAP-Programms, allen voran den [[Anschluss Österreichs]] an das Großdeutsche Reich. Im Unterschied zum Kaiserreich, das mit dem britischen Weltreich als Kolonialmacht in Afrika und Fernasien zu konkurrieren versuchte, wollte Hitler [[Lebensraum]] nicht in Westeuropa und in Übersee, sondern in [[Osteuropa]] gewinnen. Damit schloss er sich wahrscheinlich [[Geopolitik|geopolitischen]] Theorien von [[Rudolf Kjellén]], [[Halford Mackinder]] und [[Karl Haushofer]] an, die die Eroberung und Beherrschung der Landmasse von „Eurasien“ als Schlüssel zur Weltherrschaft sahen. Auch der mittelalterliche Mythos mancher Ordensritter von einem deutschen „Drang nach Osten“ stand hinter dieser Idee.
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| Dabei dachte Hitler an „Russland und die ihm untertanen Randstaaten“. Um sie zu erobern, wollte er zuerst den Versailler Vertrag revidieren, dann Frankreich mit Hilfe eines Bündnisses mit [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]] und [[Italien]] isolieren, später ganz vernichten. Damit revidierte er Punkt 3 des NSDAP-Programms: Das Erobern von Kolonien würde England zu Protesten herausfordern. Dessen Kolonialmacht müsse Deutschland garantieren, dann würden die Briten es auf dem Kontinent gewähren lassen. Polen erwähnte Hitler hier nicht, auch die USA und Japan kamen nur am Rande vor. Diese Prioritäten waren gegenüber den Vorlieben kaiserlicher Imperialisten neu.<ref>''Enzyklopädie des Nationalsozialismus'', 1998, S. 15f.</ref>
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| Zur Wirtschaftspolitik äußerte sich Hitler in ''Mein Kampf'' nur auf fünf Seiten. Den Punkt der Volksgesundheit dagegen führte er breit aus und brachte dabei den auch die wirtschafts- und kulturpolitischen Vorstellungen tragenden Rassismus der NS-Ideologie deutlich zur Geltung. Seine beiden untrennbar miteinander verknüpften Grundgedanken waren
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| * die These von höheren und niederen Rassen, die miteinander im Kampf liegen
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| * die These, dass eine „Rassenvermischung“ schädlich für die höhere Rasse sei und diese unweigerlich schwäche und langfristig auflöse.
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| Diese Axiome hatten [[Sozialdarwinismus|Sozialdarwinisten]] und [[Rassenlehre|Rassetheoretiker]] des 19. und frühen 20. Jahrhunderts wie [[Francis Galton]], [[Ernst Haeckel]], [[Alfred Ploetz]], [[Wilhelm Schallmayer]] begründet. Neu war nur, dass „[[Nationalsozialistische Rassenhygiene|Rassenhygiene]]“ erstmals zum umfassenden politischen Programm gemacht wurde. Hitler sah die „Arterhaltung“ als Hauptaufgabe des Staates und folgerte, dass dieser die „unvermischten Bestände an nordisch-germanischen Menschen“ im deutschen Volk konsequent schützen und so „langsam aber sicher zur beherrschenden Stellung emporführen“ müsse. Der starke Führerstaat müsse „den Sieg des Besseren, Stärkeren“ und die Unterordnung des „Schlechteren und Schwächeren“ fördern. Dies bedeutete konkret etwa [[Zwangssterilisation]] von Behinderten und Erbkranken, zugleich Kindergeld, billige Wohnungen und materielle Vergünstigungen für „deutsche Familien“. Die „Träger höchster Rassenreinheit“ sollten ein „Siedlungsattest“ erhalten und in noch zu erobernden „Randkolonien“ angesiedelt werden. Hitler betonte am Schluss nochmals seine Zielvorstellung:
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| {{Zitat|Ein Staat, der sich im Zeitalter der Rassenvergiftung der Pflege seiner besten rassischen Elemente widmet, muß eines Tages zum Herrn der Erde werden.}}
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| Das Gegenbild zu dieser Vision bildete die [[Verschwörungstheorie]] des Weltjudentums. Dieses sah Hitler als Urheber aller negativen Zeiterscheinungen, etwa des Ersten Weltkriegs, der Niederlage darin, der Novemberrevolution und der Inflation. Dabei identifizierte er das Judentum sowohl mit dem „[[Finanzkapital]]“ in den USA als auch mit dessen weltpolitischem Gegner, dem „Bolschewismus“. Dieser globalen Übermacht scheinbar widersprechend betonte Hitler jedoch zugleich die absolute Minderwertigkeit und unterlegene Abhängigkeit der Juden von ihren arischen „[[Wirtsvolk|Wirtsvölkern]]“ und beschrieb sie als Schmarotzer, Parasiten, Bazillen, Blutegel, Spaltpilze, Ratten usw. In allen seinen Erscheinungsformen strebe das Judentum die „Zersetzung“, „Bastardisierung“ und „Blutvergiftung“ des deutschen Volkes an: etwa durch [[Prostitution]], Verbreitung von Geschlechtskrankheiten, Verführung ahnungsloser arischer Mädchen. Dieses pornografische Bild zu propagieren wurde Hauptaufgabe des eigens dazu gegründeten Hetzblattes [[Der Stürmer]] des Gauleiters von Franken, Julius Streicher.
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| [[Datei:KZ Birkenau Hauptgebaude 320x240.jpg|thumb|Massenvernichtungslager Birkenau]]
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| Im zweiten Band von ''Mein Kampf'' sprach Hitler zuletzt auch die Idee einer stellvertretenden, präventiven Judenvernichtung offen aus:<ref>beide Zitate in: Enzyklopädie des Nationalsozialismus 1998, S. 14</ref>
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| {{Zitat|Hätte man zu Kriegsbeginn und während des Krieges zwölf- oder fünfzehntausend dieser hebräischen Volksverderber so unter Giftgas gehalten, wie hunderttausende unserer allerbesten deutschen Arbeiter aus allen Schichten und Berufen es im Felde erdulden mussten, dann wäre das Millionenopfer an der Front nicht vergeblich gewesen. Im Gegenteil: Zwölftausend Schurken zur rechten Zeit beseitigt, hätte vielleicht einer Million ordentlicher, für die Zukunft wertvoller Deutscher das Leben gerettet.}}
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| Diese Aufgabe künftig zu vollstrecken, dazu sah Hitler sich von der „[[Vorsehung]]“ – so sein Ausdruck für [[Gott]] – bestimmt:
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| {{Zitat|Indem ich mich des Juden erwehre, erfülle ich das Werk des Herrn.}}
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| Deshalb spricht der Historiker [[Saul Friedländer]] im Blick auf die nationalsozialistische Bewegung und ihre unmittelbaren Vorläufer von einem besonderen, über traditionelle christliche, aber auch völkische und sozialdarwinistische Judenfeindschaft hinausgehenden „Erlösungsantisemitismus“.<ref>Saul Friedländer, ''Das Dritte Reich und die Juden'', dtv 2000, S. 87–128.</ref>
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| == Führerkult und Führerstaat ==
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| [[File:DR 1939 694 Adolf Hitler.jpg|thumb|Briefmarke 1938, Adolf Hitler]]
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| In allen Staaten Europas gab es seit Beginn des 20. Jahrhunderts starke Tendenzen zu autoritativen, antidemokratischen Politikkonzepten, deren Akzeptanz sich nach 1918 auch aus Enttäuschung über die pluralistische Demokratie und Massenelend speisten. Als „Führerkult“ ließ sich schon die Verehrung des Herrschers in einer [[Monarchie]], begründet etwa mit der Idee des [[Gottesgnadentum]]s, auffassen. Der Erste Weltkrieg enttäuschte das Bild vom ''Heldenkaiser'', verstärkte bei Nationalisten aber noch die Sehnsucht nach dem ''heldischen Führer''. Zu einem parteipolitischen Konzept machte dies erst der aufstrebende Faschismus: zuerst mit dem [[Führer (Politik)|Duce]] [[Benito Mussolini]] in Italien, dann dem [[Caudillo]] General [[Francisco Franco|Franco]] in [[Spanien]], aber auch im Kult um „Väterchen“ [[Josef Stalin|Stalin]] in der Sowjetunion.
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| Anders als in Italien begann der Hitlerkult schon zehn Jahre vor der [[Machtergreifung]] nach dem Hitlerputsch von 1923, aus dessen Scheitern Hitler folgerte, dass die NSDAP eine straff geführte Führerpartei sein müsse und er selbst zu Deutschlands „Rettung“ bestimmt sei. Dem kam die Erwartung der Parteibasis an ihn entgegen. Der deutsche Führerkult ging also mit der Entwicklung der NSDAP zur Massenpartei einher und diente ihrer Integration, Schlagkraft und Ausdehnung. Er wurde 1933 auch nicht wie in Spanien oder Russland einer bestehenden zentralisierten Militärdiktatur zu deren Absicherung aufgepropft, sondern zum Organisationsprinzip eines durch ersatzlose Gleichschaltung aller bestehenden Verwaltungs- und Regierungsinstitutionen geschaffenen Führerstaates. Nach dem Tode des Reichspräsidenten [[Paul von Hindenburg|von Hindenburg]] (1934) wurde Hitler als ''Führer und Reichskanzler'' auch oberster Befehlshaber der Wehrmacht; seit 1938 trat auch das Regierungskabinett nicht mehr zusammen.
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| Anders als in der Sowjetunion, die nach Stalins Tod noch Jahrzehnte fortbestand, untergrub das Prinzip der „charismatischen Führerpersönlichkeit“ ([[Max Weber]]), die die rivalisierenden Kräfte in Staat und Partei durch ihren „Willen“ lenkte und orientierte, das selbständige Funktionieren der Bürokratie in Deutschland. Denn der lange Zeit mit Führererlassen und -Verordnungen direkt regierte Staat konnte Kriegsniederlage und Tod Hitlers nicht mehr überdauern. Nach [[Ian Kershaw]] stand und fiel der deutsche NS-Staat daher mit der Person des Führers.<ref>''Enzyklopädie des Nationalsozialismus'', S. 22–25</ref>
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| == Weitere Merkmale und Entwicklungen der NS-Ideologie ==
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| [[Datei:Bundesarchiv Bild 183-1982-1130-502, Nürnberg, Reichsparteitag, Lichtdom.jpg|miniatur|„Lichtdom“, Inszenierung am Reichsparteitag 1936]]
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| Weitere Hauptmerkmale des Nationalsozialismus waren:
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| * die zentrale Rolle von [[NS-Propaganda|Propaganda]] und Massen-[[Inszenierung]]en als Mittel zur Herrschaft und ihrer Sicherung nach innen und außen.
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| * [[Totalitarismus]]: Zerschlagung der [[Demokratie]], Einparteienherrschaft, Aufhebung der [[Gewaltenteilung]], Instrumentalisierung aller politischen Kontrollinstanzen und Medien, weitreichende Vollmachten für Geheimdienste und [[Denunziant]]en, [[Polizeistaat]]
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| * Militarismus und Imperialismus: Schon während des Aufstiegs der NSDAP wurden Waffenlager eingerichtet, bewaffnete Schlägerbanden ausgebildet, die Straßengewalt einübten, um politische Gegner einzuschüchtern. In den Jahren der Weimarer Republik konzentrierte sich die nationalsozialistische Propaganda zunächst auf den [[Vertragsrevisionismus]], also die Forderung nach Wiederaneignung der infolge der deutschen Kriegsniederlage verlorenen Gebiete und damit nach Aufhebung oder Bruch des [[Versailler Vertrag]]s. Dieser wurde als „Schmach von Versailles“ oder „Versailler Schanddiktat“ diffamiert. Von 1933 an wurde Aufrüstung betrieben, zunächst geheim, dann offen, und die vertraglichen Bindungen an [[Völkerbund]] und [[Völkerrecht]] erst unterlaufen, dann gebrochen. Sobald die [[Wehrmacht]] stark genug sein würde, plante Hitler gezielte Angriffskriege zur Wiederherstellung und Erweiterung eines auf militärische Machtentfaltung gebauten Großdeutschlands. Dabei sollte ein Land nach dem anderen isoliert und einzeln niedergekämpft werden. Das Endziel war nach Meinung der meisten Historiker die Eroberung des kontinentalen Festlands, der Sowjetunion bis zur Linie Archangelsk–Uralgebirge–Kaukasus sowie die Besiedelung dieser Gebiete durch die Deutschen, andere Forscher glauben Belege dafür zu haben, dass Hitler die (utopische) [[Weltherrschaft]] anstrebte. Die Herrschaft über die besetzten Gebiete sollte durch Vertreibung unerwünschter Bevölkerungsgruppen gestärkt werden.
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| * Der „[[Blut-und-Boden-Ideologie|Blut-und-Boden-Mythos]]“, die Verherrlichung des Bauernstandes (des „Nährstands“). Viele Nationalsozialisten lehnten die Verstädterung und die zunehmende Industrialisierung ab und sehnten sich nostalgisch nach einem Land, das wie eh und je von Bauern bestellt wurde. Auch [[Heinrich Himmler]] hatte solche Gedanken, als er vorschlug, die eroberten Gebiete der Sowjetunion mit Bauern zu besiedeln, die zugleich Soldaten („Wehrbauern“) sein sollten. Russen, Ukrainer und Polen sollten die Landarbeiter, das Hauspersonal, die Bauarbeiter oder die Hilfsarbeiter stellen.
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| * Die Propagierung der [[Herrenrasse]] bzw. des Herrenvolkes, die das Recht habe andere minderwertige Völker zu unterdrücken.
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| * Männerherrschaft und Männlichkeitskult, also Propagierung von Werten wie [[Tapferkeit]] und soldatischer Härte. „Weibliche Werte“ werden bei Männern als [[Feigheit]], Krankheit und „Zersetzung der Wehrkraft“ denunziert.
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| * Verschwörungstheorie: Die [[Paranoia|wahnhafte Idee]], das internationale Judentum hätte sich verschworen, um die [[Weltherrschaft]] zu erringen, wird von verschiedenen Historikern<ref>So z. B. Wolfram Meyer zu Uptrup: ''Kampf gegen die „jüdische Weltverschwörung“. Propaganda und Antisemitismus der Nationalsozialisten 1919 bis 1945'', Metropol, Berlin 2003, und [[Wolfgang Wippermann]]: ''Agenten des Bösen. Verschwörungstheorien von Luther bis heute'', be.bra. Verlag, Berlin 2007, S. 78–93.</ref> als Kern des Nationalsozialismus angesehen. Diese Verschwörungstheorie tritt bereits in einem 1924 von [[Dietrich Eckart]] veröffentlichten Gespräch mit Hitler zu Tage, in dem eine ungebrochene Kontinuität der angeblichen jüdischen Machenschaften vom zweiten vorchristlichen Jahrtausend an behauptet wird.<ref>Dietrich Eckart, ''Der Bolschewismus von Moses bis Lenin. Zwiegespräch zwischen Adolf Hitler und mir''. München 1924</ref> In der Bildsprache der nationalsozialistischen Propaganda, etwa in den Wahlplakaten vor 1933 oder in den Karikaturen des [[Der Stürmer|Stürmer]] wurde „der“ Jude regelmäßig in verschwörungstheoretischen Metaphern wie dem Drahtzieher hinter den Kulissen des Weltgeschehens oder der weltumspannenden Krake oder Spinne dargestellt. Und während des [[Krieg gegen die Sowjetunion 1941–1945|Kriegs gegen die Sowjetunion]] begründete die Wehrmacht die Umsetzung der verbrecherischen Befehle wie des [[Kommissarbefehl]]s oder des [[Erlass über die Ausübung der Kriegsgerichtsbarkeit im Gebiet „Barbarossa“ und über besondere Maßnahmen der Truppe|Kriegsgerichtsbarkeitserlasses]] verschwörungstheoretisch mit der These vom [[Jüdischer Bolschewismus|Jüdischen Bolschewismus]]: Hinter dem Sowjetsystem stehe in Wahrheit das Judentum. So wies [[Erich von Manstein|General von Manstein]] am 20. November 1941 seine Truppen an, ''„Verständnis“'' aufzubringen für die ''„harte Sühne am Judentum“'':
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| ::''„Das Judentum bildet den Mittelsmann zwischen dem Feind im Rücken und den noch kämpfenden Resten der Roten Armee und der Roten Führung […]. Das jüdisch-bolschewistsische System muß ein für allemal ausgerottet werden.“''<ref>Zit. nach Omer Bartov, Hitlers Wehrmacht. Soldaten, Fanatismus und die Brutalisierung des Krieges, Reinbek 1995, S. 36.</ref>
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| == Verhältnis zum Kapitalismus ==
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| Das Verhältnis von Nationalsozialismus und Kapitalismus wird seit 1933 sehr verschieden beurteilt. Der deutsche Soziologe [[Max Horkheimer]] vertrat 1939 noch vor Kriegsbeginn die Position:<ref>Max Horkheimer: ''Die Juden und Europa'', in: Zeitschrift für Sozialforschung 8 (1939), S. 115</ref> ''Wer vom Kapitalismus nicht reden will, soll vom Faschismus schweigen.''
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| Dem stellte [[Ludwig von Mises]] 1947 die Auffassung gegenüber:<ref>[http://www.econlib.org/LIBRARY/Mises/msSApp.html Ludwig von Mises]</ref> ''The philosophy of the Nazis, the German National Socialist Labour Party, is the purest and most consistent manifestation of the anticapitalistic and socialistic spirit of our age.'' („Die Ideologie der Nazis, der deutschen ''Nationalsozialistischen Arbeiterpartei'', ist die reinste und konsistenteste Manifestation unseres antikapitalistischen und sozialistischen [[Zeitgeist]]es.“)
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| Der in die USA emigrierte Politologe [[Franz Leopold Neumann |Franz L. Neumann]] konstatierte in seinem Buch zur Struktur und Praxis des Nationalsozialismus ''[[Behemoth (Franz Neumann)|Behemoth]]'' von 1942/1944, dass der nationalsozialistische Herrschaftsapparat sich keineswegs von der Basis der privatkapitalistischen Produktionsweise gelöst, sondern einen „totalitären [[Monopolkapitalismus]]“ hervorgebracht habe.<ref>Helmut Dubiel/Alfons Söllner: ''Die Nationalsozialismusforschung des Instituts für Sozialforschung – ihre wissenschaftsgeschichtliche Stellung und ihre gegenwärtige Bedeutung''. In: Dies. (Hrsg.): ''Wirtschaft, Recht und Staat im Nationalsozialismus. Analysen des Instituts für Sozialforschung 1939–1942''. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1981; S. 16 ff.</ref>
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| Nach dem Ende des [[Kalter Krieg|Kalten Krieges]] wurden die von ideologischen Vorgaben dominierten älteren [[Faschismustheorie]]n zunehmend differenziert. Neuere historische Forschungen untersuchen das Verhältnis von Nationalsozialismus zu Kapitalismus auf drei Ebenen:
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| * als Frage nach den Finanzquellen der NSDAP und den Kreisen, die Hitler an die Macht brachten,
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| * als Frage nach der Bedeutung antikapitalistischer Elemente für die Ideologie der Nationalsozialisten,
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| * als Frage nach der tatsächlichen Wirtschaftspolitik des NS-Regimes 1933–1945.
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| === Finanzquellen der NSDAP ===
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| → ''Hauptartikel: [[Großindustrie und Aufstieg der NSDAP]]''
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| Marxisten sehen die Spendenpraxis deutscher Industrieller wie [[Fritz Thyssen]] und [[Emil Kirdorf]] und die [[Industrielleneingabe]] vom November 1932, die Reichspräsident [[Paul von Hindenburg]] aufforderte, Hitler zum Reichskanzler zu ernennen, meist als Belege für die Verantwortung der [[Großindustrie und Aufstieg der NSDAP|Großindustrie]] für die Machtübergabe an Hitler. Der ostdeutsche Historiker [[Eberhard Czichon]] etwa meinte deshalb, dass „eine Mehrheitsgruppe deutscher Industrieller, Bankiers und Großagrarier Hitlers Kanzlerschaft gewollt und organisiert“ habe.<ref>Eberhard Czichon: ''Wer verhalf Hitler zur Macht?'' Köln 1967, S. 54.</ref>
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| Sein westdeutscher Kollege [[Reinhard Neebe]] betonte dagegen, dass die meisten deutschen Unternehmer und ihr Dachverband, der [[Reichsverband der Deutschen Industrie]], nicht Hitler, sondern die Vorgängerregierungen von [[Heinrich Brüning]], [[Franz von Papen]] und [[Kurt von Schleicher]] unterstützten.<ref>Reinhard Neebe: [http://www.zum.de/psm/pdf/ksg45.pdf ''Großindustrie, Staat und NSDAP 1930–1933. Paul Silverberg und der Reichsverband der Deutschen Industrie in der Krise der Weimarer Republik'']. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1981 ([[PDF]], 6,55 MB).</ref> Diese Sicht untermauerte der US-amerikanische Historiker [[Henry Ashby Turner]] mit Untersuchungen, wonach die NSDAP ihre Finanzmittel nicht vorwiegend aus Industriespenden, sondern Mitgliedsbeiträgen und Eintrittsgeldern bezog. Die Großindustrie habe ihr immer deutlich weniger Geld zukommen lassen als ihren Konkurrenten [[Deutschnationale Volkspartei|DNVP]], [[Deutsche Volkspartei|DVP]] und [[Deutsche Zentrumspartei|Zentrum]]. Sie habe sich damit auch nur für den unerwünschten Fall einer NS-Machtergreifung absichern wollen.<ref>Henry Ashby Turner: ''Die Großunternehmer und der Aufstieg Hitlers''. Siedler Verlag, Berlin 1985.</ref> Die Großunternehmer gelten daher heute kaum noch als Hauptverursacher des Aufstiegs der Nationalsozialisten und der Machtübergabe an Hitler.
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| === Antikapitalismus in der NS-Ideologie ===
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| Für die Frage, ob die Ideologie der Nationalsozialisten antikapitalistisch gewesen sei, liegen sehr widersprüchliche Quellenbelege vor.
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| Das [[25-Punkte-Programm]] der Partei von 1920, das Hitler bis 1926 für „unabänderlich“ erklärte, enthielt mehrere antikapitalistische Forderungen wie [[Brechung der Zinsknechtschaft]], Verstaatlichung von [[Trust (Wirtschaft)|Trusts]] und Gewinnbeteiligung an Großbetrieben. Führende Nationalsozialisten wie [[Otto Strasser]], sein Bruder [[Gregor Strasser|Gregor]] und [[Joseph Goebbels]] verwendeten regelmäßig [[Sozialismus|sozialistische]] Versatzstücke in ihren Reden. Dem steht jedoch Hitlers Bekenntnis zum [[Privateigentum]] gegenüber.
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| Die Frage nach der Rolle des Antikapitalismus in der NS-Ideologie wird aufgrund der widersprüchlichen Quellen unter verschiedenen Aspekten diskutiert und sehr unterschiedlich beurteilt:
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| ;Verhältnis zum Privateigentum
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| Hitlers Bekenntnis zum [[Privateigentum]] erfolgte 1919 privat<ref name="Picker136">Henry Picker: ''Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier''. Ullstein, Berlin 1993, ISBN 3-550-07615-0, S. 136.</ref> und 1926 im [[Hamburger Nationalklub]] öffentlich.<ref>[[Werner Jochmann]]: ''Im Kampf um die Macht. Hitlers Rede vor dem Hamburger Nationalklub von 1919''. Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 1960.</ref> Der Berliner Wirtschaftshistoriker [[Albrecht Ritschl (Wirtschaftshistoriker)|Albrecht Ritschl]] macht allerdings auf Äußerungen Hitlers aufmerksam, die er im März 1942 im Kreise seiner Adjutanten machte, das heißt ohne Zwang, seine wahren Ansichten zu kaschieren. Hitler wandte sich hier grundsätzlich „gegen anonymen Privatbesitz der [[Aktie]]. Ohne selbst etwas dazu zu tun, erhalte der [[Aktionär]] mehr [[Dividende]], wenn die Arbeiter der [[Aktiengesellschaft]] fleißig statt faul seien oder wenn ein genialer [[Ingenieur]] an der Spitze des Betriebs stehe“.<ref name="Picker136" /> Demnach wäre die häufige Ablehnung eines „raffenden“ im Gegensatz zum lobenswerten „schaffenden Kapitalismus“ von ihm durchaus ernst gemeint gewesen.
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| Der ehemalige NSDAP-Politiker und konservativ-bürgerliche Faschismustheoretiker [[Hermann Rauschning]] warf Hitler in Wirtschaftsfragen reinen Opportunismus vor: Er habe über keine konsistenten ökonomischen Überzeugungen verfügt, sondern immer nur seinem Publikum nach dem Munde geredet.<ref>Herrmann Rauschning: ''Die Revolution des Nihilismus. Kulisse und Wirklichkeit im Dritten Reich''. Europa Verlag, Zürich/New York 1938.</ref>
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| Der Historiker [[Henry A. Turner]] kommt zu dem Schluss, dass Hitler das „liberale Konkurrenzprinzip“ und das Privateigentum nur deshalb bejaht habe, „weil er sie in entstellter Weise in seine sozialdarwinistische Sicht des Wirtschaftslebens einbauen konnte“.<ref>Henry A. Turner: ''Hitlers Einstellung zu Wirtschaft und Gesellschaft vor 1933''. In: [[Geschichte und Gesellschaft]] 2, 1976, S. 95.</ref> Für den Wirtschaftswissenschaftler [[Ralf Ptak]] deuten „die vielfältigen Publikationsmöglichkeiten [[ordoliberal]]er Autoren in diesem Zeitraum auf eine nationalsozialistische Duldung gegenüber dem ordoliberalen Projekt“ hin.<ref>Ralf Ptak: ''Vom Ordoliberalismus zur sozialen Marktwirtschaft''. VS-Verlag 2004, S. 64.</ref> Der Wirtschaftswissenschaftler Nils Goldschmidt widerspricht Ptaks Schlussfolgerung und führt die Schrift ''„Nationalökonomie – wozu?“'' von [[Walter Eucken]] als Beispiel für ein Publikationsverbot an. Ferner weist Goldschmidt auf ordoliberalen [[Widerstand gegen den Nationalsozialismus]], wie etwa durch die [[Freiburger Kreis (NS-Zeit)|Freiburger Kreise]] hin.<ref>Nils Goldschmidt, ''Buchbesprechung: Vom Ordoliberalismus zur sozialen Marktwirtschaft – von Ralf Ptak'', in: [[ORDO – Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft]] Band 56, Lucius & Lucius, Stuttgart 2005, S. 319–323.</ref>
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| ;Ausschaltung des sozialistischen Parteiflügels und der Arbeiterbewegung
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| Albrecht Ritschl verweist auf die schrittweise Ausschaltung des sozialistischen Parteiflügels zwischen 1930 und 1934 und deutet die antikapitalistischen Töne als verkappten Antisemitismus.<ref>Albrecht Ritschl: ''Zum Verhältnis von Markt und Staat in Hitlers Weltbild''. In: Uwe Backes/Eckhard Jesse/Rainer Zitelmann (Hrsg.): ''Die Schatten der Vergangenheit. Impulse zur Historisierung des Nationalsozialismus''. Propyläen Verlag, Frankfurt am Main/Berlin 1990, S. 254 u. ö.</ref> Die enge Verbindung von Antikapitalismus und Antisemitismus in der nationalsozialistischen Propaganda zeigt sich etwa in dem Antrag, der der Vorsitzende der NSDAP-Fraktion im Reichstag am 18. Oktober 1930 stellte. Darin forderte er die Enteignung des gesamten Vermögens der „Bank- und Börsenfürsten, der seit 1. August 1914 zugezogenen Ostjuden und sonstigen Fremdstämmigen […] zum Wohl der Allgemeinheit des deutschen Volkes.“<ref>Manfred Overesch: ''Die Weimarer Republik'' (= Droste Geschichts-Kalendarium. Politik – Wirtschaft – Kultur. Chronik deutscher Zeitgeschichte, Bd. 1), Droste Verlag, Düsseldorf 1982, S. 494.</ref>
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| 1931, auf dem Höhepunkt der [[Weltwirtschaftskrise]], forderte die NSDAP staatliche Arbeitsbeschaffungsprogramme, um die Arbeiterschaft als NSDAP-Wähler anzuwerben. Doch zuvor zerschlug das NS-Regime die organisierte [[Arbeiterbewegung]] in Form der Linksparteien und der Gewerkschaften. Die NSDAP betrachtete marxistische und kommunistische Gruppen innenpolitisch als Hauptgegner, so wie außenpolitisch der Bolschewismus der Hauptfeind war.
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| Die Alternative, der „nationale Sozialismus“, wurde als „[[Volksgemeinschaft]]“ definiert. Diese wurde als „Einheit von Volk und Staat“ unter der einheitlichen NS-Ideologie und einem „[[Starker Staat|starken Staat]]“, gelenkt von einem „Führer“, verstanden. Die Einordnung aller Staatsbürger in die Arbeitspflicht und die rassisch definierten nationalen Interessen ließ offen, ob dazu die [[Produktionsverhältnisse]] umgestürzt werden sollten: Dieses Stichwort fehlte im 25-Punkte-Programm. Als Gegenkonzept zur Leitidee der internationalen [[Klassenlose Gesellschaft|klassenlosen Gesellschaft]] im Marxismus, aber auch zur individuelle Freiheiten schützenden pluralen und parlamentarischen [[Sozialdemokratie]] gedacht, unterschied es die NSDAP von den damaligen Programmen aller sozialistischen Parteien.
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| ;Egalitäre Prinzipien und Verhältnis zum Sozialismus
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| [[Friedrich August von Hayek]] begreift den Nationalsozialismus nicht als Entartung des Kapitalismus, sondern hebt vielmehr hervor, dass sich Nationalsozialismus und Sowjetkommunismus in diktatorischen und antiliberalen Grundzügen ähnelten.<ref>Friedrich August von Hayek: ''Der Weg zur Knechtschaft''. München 1981 [zuerst 1944].</ref>
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| [[Rainer Zitelmann]] versteht Hitler als „[[Revolution]]är“, dem die Verbesserung der [[Soziale Mobilität|Aufstiegschancen]] der Arbeiter, soweit sie seinen Rassevorstellungen entsprachen, ein ehrliches Anliegen gewesen sei. Dabei sei es ihm nicht „um die Ermöglichung der bestmöglichen Entfaltung des Individuums, sondern um die Optimierung des Nutzens für die ''deutsche Volksgemeinschaft''“ gegangen.<ref>Rainer Zitelmann: ''Hitler. Selbstverständnis eines Revolutionärs''. Darmstadt 1990, S. 491.</ref> Gegenüber der Wirtschaft habe er einen „Primat der Politik“ angestrebt, der „auf eine Revolutionierung des Verhältnisses von Politik und Ökonomie“ hinausgelaufen sei:
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| {{Zitat|Anstelle des kapitalistischen Wirtschaftssystems wollte Hitler eine gemischte Wirtschaftsordnung etablieren, in welcher markt- und planwirtschaftliche Elemente zu einer neuen Synthese vereint wären.}}
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| :Wenn auch Hitlers oberstes Ziel „seine sozialdarwinistische Idee vom ewigen Kampf und das völkische Prinzip“ gewesen sei, sei die „vom Nationalsozialismus ausgelöste soziale Revolution, deren Inhalt die [[Modernisierung (Soziologie)|Modernität]] war“, durchaus ernst zu nehmen.
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| Gegen diese These wandten Wolfgang Wippermann und Michael Burleigh indirekt ein, dass sie den rassistischen und damit [[reaktionär]]en Charakter des NS-Regimes über Gebühr herunterspiele.<ref>Wolfgang Wippermann und Michael Burleigh: ''The racial state. Germany 1933–1945''. Cambridge University Press 1991, S. 378 ff.</ref>
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| Laut [[Joachim Fest]] ist „die Diskussion über den politischen Standort des Nationalsozialismus nie gründlich geführt worden“. Stattdessen habe man „zahlreiche Versuche unternommen, jede Verwandtschaft von Hitlerbewegung und Sozialismus zu bestreiten“. Zwar habe Hitler keine Produktionsmittel verstaatlicht, aber „nicht anders als die Sozialisten aller Schattierungen die soziale Gleichschaltung vorangetrieben“.<ref>[http://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2003/09/27/a0148 Joachim Fest: ''War Adolf Hitler ein Linker?'' (taz.de, 27. September 2003)] </ref> Auch nach Ansicht von [[Götz Aly]] versuchte das NS-Regime, das er als „Gefälligkeitsdiktatur“ bezeichnet, durch soziale Fürsorge egalitäre Prinzipien zu verwirklichen.<ref>Götz Aly: ''Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus''. Fischer, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-596-15863-X</ref>
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| === Wirtschaftspolitik des NS-Regimes ===
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| Für die von 1933 bis 1945 praktizierte [[Wirtschaft im nationalsozialistischen Deutschland|Wirtschaftspolitik des NS-Regimes]] sind die Befunde ebenfalls widersprüchlich. Auf der einen Seite spricht die Re[[privatisierung]] der in der [[Deutsche Bankenkrise|Bankenkrise]] 1931 de facto [[Verstaatlichung|verstaatlichten]] Großbanken eher für eine prokapitalistische Haltung der Regierung. Die Arbeiten u. a. von [[Avraham Barkai]], [[Timothy Mason]] und [[Dieter Petzina]] dagegen zeigen, dass die dirigistischen Eingriffe in die Wirtschaft unter Schachts „Neuem Plan“ (1934), unter dem [[Vierjahresplan]] (1936) und vollends die Kriegswirtschaft unter Rüstungsminister [[Albert Speer]] (ab 1942) vom freien Unternehmertum der Weimarer Jahre wenig übrig ließen. Der Historiker [[Klaus Hildebrand]] fasst den Stand der Forschung in [[Oldenbourg Grundriss der Geschichte]] zusammen:
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| {{Zitat|Zwar blieben die Betriebe in privaten Händen der Unternehmer, ohne Zweifel stiegen auch die finanziellen Erträge aus der Rüstungskonjunktur. Doch wurde das für eine kapitalistische Wirtschaft verbindliche Prinzip der Zweck-Mittel-Rationalität im Banne der Rüstungsanforderungen und des Autarkieprinzips auf Befehl [[Hermann Göring]]s mehr und mehr außer Kraft gesetzt.<ref> Klaus Hildebrand, Das Dritte Reich (Oldenbourg Grundriss der Geschichte, Bd. 17), München 1991, S. 170 </ref>}}
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| Gestützt wird diese These von aktuellen ordnungstheoretischen Untersuchungen: Michael von Prollius beschreibt das NS-Wirtschaftssystem als „Ergebnis unablässiger Neu- und Umorganisation […] und zahllosen Lenkungs- und Bürokratisierungsmaßnahmen“<ref>Michael von Prollius, ''Das Wirtschaftssystem der Nationalsozialisten 1933–1939. Steuerung durch emergente Organisation und Politische Prozesse''. Paderborn 2003.</ref>; für Markus Albert Diehl „entfernte sich die deutsche Wirtschaftsordnung unter der nationalsozialistischen Herrschaft immer weiter vom Idealtyp der Marktwirtschaft und entsprach schließlich weitgehend dem Idealtyp der Zentralplanwirtschaft“.<ref>Markus Albert Diehl, ''Von der Marktwirtschaft zur nationalsozialistischen Kriegswirtschaft. Die Transformation der deutschen Wirtschaftsordnung 1933–1945'' (Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Nr. 104), Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2005, S. 179</ref>
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| == Der Nationalsozialismus als politische Religion ==
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| [[Datei:DR 1943 829 Brandenburger Tor.jpg|thumb|Briefmarke von 1943]]
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| Ob und wieweit auch religiöse Elemente für die nationalsozialistische Ideologie konstitutiv waren, ist in der historischen Forschung umstritten. Verschiedene Strömungen in der NSDAP reichten vom [[Atheismus]] und [[Nihilismus]] über rassistischen [[Neopaganismus]] bis zur Bejahung oder taktischen Vereinnahmung eines „positiven [[Christentum]]s“ (siehe dazu [[Deutsche Christen]] und [[Kirchenkampf]]). Dass Elemente der NS-Propaganda, etwa der [[Führerkult]], religionsähnliche Züge trugen, wurde oft beobachtet. Auf den [[Reichsparteitag]]en wurde der Nationalsozialismus zelebriert, was durch den Film ''Triumph des Willens'' der Regisseurin [[Leni Riefenstahl]] besonders herausgearbeitet und verstärkt wurde. Das Verhältnis des Nationalsozialismus zur christlichen Religion blieb daher auch zwiespältig. Einerseits gab es den Versuch, mit der [[evangelische Kirche]] ein „''Deutsches Christentum''“ zu begründen. Außerdem machte Hitler 1933 durch das [[Reichskonkordat]] mit dem Vatikan Zugeständnisse an die katholische Kirche wie die Freiheit des Bekenntnisses und die Erlaubnis katholischer Schulen und Universitäten, die allerdings nicht eingehalten wurden. Sie dienten dem Prestigegewinn im Ausland und der Beruhigung der deutschen Bevölkerung. Andererseits gab es antichristliche Elemente bei [[Alfred Rosenberg]], der in seinem Hauptwerk [[Der Mythus des 20. Jahrhunderts]] eine Ablösung des Christentums durch eine „[[Blut und Boden|Religion des Blutes]]“ postulierte. Das [[Altes Testament|Alte Testament]] wurde aufgrund der "jüdischen Wurzeln" zurückgewiesen. Einen starken Bezug zu germanischer Mythologie, [[Rechte Esoterik|völkisch-rassistischer Esoterik]], [[Hinduismus]], [[Buddhismus]] und [[Meditation]] zeigte Heinrich Himmler, der [[Reichsführer-SS]].<ref>Karl Dietrich Bracher et al.: ''Nationalsozialistische Diktatur 1933–1945 – eine Bilanz.'' Droste, Düsseldorf 1983, ISBN 3-7700-0630-5, S. 208.</ref> Er trug ständig eine Ausgabe der [[Bhagavad Gita]] bei sich.<ref>Peter Padfield: ''Himmler – Reichsführer SS.'' Macmillan, London 1990, ISBN 0-333-40437-8, S. 402.</ref> Die bereits bei Rosenberg vorhandenen Bezugspunkte zu Indien wurden in den [[Schutzstaffel|SS]]-Einrichtungen wie den „[[NSDAP-Ordensburg|Ordensburgen]]“ (die Himmler als Elite des Systems verstand) ausgebaut. [[Esoterik|Esoterische]] Lehren und östliche [[Mystik]] wurden teilweise von der SS übernommen.<ref>Richard Breitman: ''Himmler und die Vernichtung der europäischen Juden.'' Schöningh 1996, ISBN 3-506-77497-2, S. 193.</ref>
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| == Siehe auch ==
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| * {{Portal|Nationalsozialismus}}
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| * [[Erziehung im Nationalsozialismus]]
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| * [[Nationalsozialistische Europapläne]]
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| * [[NS-Forschung]]
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| == Literatur ==
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| * [[Götz Aly]]: Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus.'' Fischer, Frankfurt am Main, 2005, ISBN 3-10-000420-5
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| * [[Rainer C. Baum]]: ''The Holocaust and the German Elite. Genocide and National Suicide in Germany, 1871–1945''. Totowa/London 1981, ISBN 0-7099-0656-0.
| |
| * [[Karl Dietrich Bracher]]: ''Die deutsche Diktatur. Entstehung, Struktur, Folgen des Nationalsozialismus''. Propyläen-Taschenbuch, ungekürzte Ausgabe, auf der Grundlage der 7. Auflage. Ullstein, Berlin 1997, ISBN 3-548-26501-4.
| |
| * [[Hermann Graml]], [[Wolfgang Benz]], [[Hans Buchheim]], [[Hans Mommsen]] (Hrsg.): ''Der Nationalsozialismus. Studien zur Ideologie und Herrschaft'', Fischer-TB, Frankfurt am Main 1993, ISBN 3-596-11984-7.
| |
| * [[Walther Hofer]] (Hg.): ''Der Nationalsozialismus. Dokumente 1933–1945''. In: Bücher des Wissens (Reihe), Fischer Taschenbuch Verlag, Erstausgabe 1957, ISBN 3-436-00183-X.
| |
| * [[Ian Kershaw]]: ''Der NS-Staat. Geschichtsinterpretationen und Kontroversen im Überblick''. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1989, ISBN 3-498-03462-6.
| |
| * [[Reinhard Kühnl]]: ''Der deutsche Faschismus in Quellen und Dokumenten.'' Pahl-Rugenstein, Köln.
| |
| * [[Franz Leopold Neumann|Franz Neumann]]: ''[[Behemoth (Franz Neumann)|Behemoth. Struktur und Praxis des Nationalsozialismus 1933–1944]]'' Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M. 1984.
| |
| * Gerhard Paul: ''Aufstand der Bilder. Die NS-Propaganda vor 1933'', 2. Aufl., Bonn 1992, ISBN 3-8012-5015-6.
| |
| * [[Ernst Piper]]: ''Kurze Geschichte des Nationalsozialismus von 1919 bis heute.'' Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2007, 351 Seiten, ISBN 3-455-50024-2.
| |
| * Michael von Prollius: ''Das Wirtschaftssystem der Nationalsozialisten 1933–1939. Steuerung durch emergente Organisation und Politische Prozesse''. Paderborn 2003, ISBN 3-506-76948-0.
| |
| * Michael Ruck: ''Bibliographie zum Nationalsozialismus'', 2 Bde. m. CD-ROM, Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2000, ISBN 3-534-14989-0.
| |
| * William L. Shirer: ''Aufstieg und Fall des Dritten Reiches'', 2000, ISBN 3-933366-61-5.
| |
| * [[Henry A. Turner]]: ''Die Großunternehmer und der Aufstieg Hitlers'', Siedler Verlag, Berlin 1985, ISBN 3-88680-143-8.
| |
| * [[Wolfgang Wippermann]]: ''Der konsequente Wahn. Ideologie und Politik Adolf Hitlers'', Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh 1989, ISBN 3-570-03950-1.
| |
| * Michael Burleigh/Wolfgang Wippermann: ''The Racial State. Germany 1933–1945'', Cambridge University Press 1991, ISBN 0-521-39114-8.
| |
| * [[Kurt Bauer]]: ''Nationalsozialismus. Ursprünge, Anfänge, Aufstieg und Fall'', UTB / Böhlau, 2008, ISBN 978-3-8252-3076-0.
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| == Weblinks ==
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| {{Commonscat|National Socialism|{{PAGENAME}}}}
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| {{Wikiquote|Nationalsozialismus}}
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| {{Wiktionary|Nationalsozialismus}}
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| {{Wikisource|Kategorie:Nationalsozialismus}}
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| '''Grundinformationen:'''
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| * [http://www.bpb.de/publikationen/08088896480389708701525882301191,0,Nationalsozialismus_I.html Bundeszentrale für politische Bildung, Heft 251: Nationalsozialismus I]
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| * [http://www.bpb.de/publikationen/01646950938424722470412600973617,0,0,Nationalsozialismus_II.html Bundeszentrale für politische Bildung, Heft 266: Nationalsozialismus II]
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| * [http://www.bpb.de/themen/XNLHOF,0,0,Nationalsozialismus_und_Zweiter_Weltkrieg.html Bundeszentrale für politische Bildung: Dossier ''Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg'']
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| * [http://www.politische-bildung.de/nationalsozialismus.html Informationsportal zur politischen Bildung: Nationalsozialismus]
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| * [http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/ Deutsches Historisches Museum: Nationalsozialismus]
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| * [http://www.celan-projekt.de/lexikon-nationalsozialismus.html Paul-Celan-Projekt: Der Nationalsozialismus]
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| * [http://www.netz-gegen-nazis.com/seite/buecher-zum-download „Jugendlexikon Nationalsozialismus“] (Rowohlt, Berlin 2007) als Volltext bei netz-gegen-nazis.com
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| '''Dokumente:'''
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| * [http://www.documentarchiv.de/ns.html Dokumentarchive: Chronologische Abfolge wichtiger politischer Entscheidungen von 1933–1945 mit Gesetzestexten]
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| * [http://www.ns-archiv.de Dokumente zum Nationalsozialismus]
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| * [http://www.documentarchiv.de/wr/1920/nsdap-programm.html Das Programm der NSDAP]
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| '''Materialien:'''
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| * [http://www.nationalsozialismus.de Nationalsozialismus.de: Rechercheportal]
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| * [http://www.historisches-centrum.de/index.php?id=65 Historisches Zentrum Zeitgeschichte: Online-Katalog mit weiterführenden, auch didaktischen Ressourcen zum Nationalsozialismus]
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| '''Opfer:'''
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| * [http://www.doew.at/thema/terror/chron.html Dokumentationszentrum des Österreichischen Widerstands: Opfer des Terrors der NS-Bewegung in Österreich 1933–1938]
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| '''Historische Debatte:'''
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| * [http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,402650,00.html Interview mit dem Historiker Overy zum Thema]
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| * [http://www.comlink.de/cl-hh/m.blumentritt/agr66s.htm Zusammenfassung/Rezension zu Wolfgang Wippermann: ''Europäischer Faschismus im Vergleich 1922–1982'']
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| == Einzelnachweise == | | == Einzelnachweise == |
| <references /> | | <references /> |
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| [[Kategorie:Nationalsozialismus| ]] | | [[Kategorie:Nationalsozialismus| ]] |