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Abjekt (Psychologie): Unterschied zwischen den Versionen

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Der Begriff '''Abjekt''' stammt vor allem aus den Arbeiten der französischen Philosophin und Psychoanalytikerin Julia Kristeva. Während die klassische [[Psychoanalyse]] (z. B. Freud, Lacan) zwischen Subjekt (dem erlebenden Ich) und Objekt (dem Anderen, auf das sich Begehren oder Abwehr richtet) unterscheidet, führt Kristeva das Abjekt als eine dritte Kategorie ein. In Psychoanalyse und Kulturtheorie wird das Abjekt oft mit Ekel, Tabu und dem Unheimlichen in Verbindung gebracht. Es spielt eine Rolle bei Fragen der Identität, insbesondere in der Abgrenzung von Selbst und Anderem, das nicht einmal in Objekt erträglich empfunden wird. Ausgrenzung, Marginalisierung und gesellschaftliche Tabus führen auf diesem Weg oft zu psychischen Traumata, ausgelöst durch den Täter.
Der Begriff '''Abjekt''' stammt vor allem aus den Arbeiten der französischen Philosophin und Psychoanalytikerin [[Julia Kristeva]]. Während die klassische [[Psychoanalyse]] (z. B. Freud, Lacan) zwischen Subjekt (dem erlebenden Ich) und Objekt (dem Anderen, auf das sich Begehren oder Abwehr richtet) unterscheidet, führt Kristeva das Abjekt als eine dritte Kategorie ein. In Psychoanalyse und Kulturtheorie wird das Abjekt oft mit Ekel, Tabu und dem Unheimlichen in Verbindung gebracht. Es spielt eine Rolle bei Fragen der Identität, insbesondere in der Abgrenzung von Selbst und Anderem, das nicht einmal in Objekt erträglich empfunden wird. Ausgrenzung, Marginalisierung und gesellschaftliche Tabus führen auf diesem Weg oft zu psychischen Traumata, ausgelöst durch den Täter.


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==Häufiges Beispiel==
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In vielen Kulturen wird heterosexuelle Zweigeschlechtlichkeit als „Ordnung der Dinge“ gesetzt. Alles, was davon abweicht, bedroht diese Ordnung, weil es Fragen aufwirft: Was ist Mann? Was ist Frau? Wozu dient Sexualität?[[Homosexualität]] und oft noch stärker Bisexualität) wird dann nicht einfach als „eine andere Möglichkeit“ betrachtet, sondern als etwas Verunreinigendes. Sie erinnert die Gesellschaft daran, dass Sexualität nicht nur Fortpflanzung, sondern auch Lust, Begehren und [[Ambivalenz]] ist – Dinge, die schwer zu kontrollieren sind. Folge: Menschen mit bi- oder homosexuellen Orientierungen werden oft zu Abjekten, also zu Verkörperungen dessen, was nicht in die Ordnung passt und daher abgestoßen werden muss. So stabilisiert die Gesellschaft eine „klare“ Identität (Mann/Frau, heterosexuell), indem sie das vermeintlich „Unreine“ an den Rand drängt.
In vielen Kulturen wird heterosexuelle Zweigeschlechtlichkeit als „Ordnung der Dinge“ gesetzt. Alles, was davon abweicht, bedroht diese Ordnung, weil es Fragen aufwirft: Was ist Mann? Was ist Frau? Wozu dient Sexualität? [[Homosexualität]] und oft noch stärker Bisexualität wird dann nicht einfach als „eine andere Möglichkeit“ betrachtet, sondern als etwas Verunreinigendes. Sie erinnert die Gesellschaft daran, dass Sexualität nicht nur Fortpflanzung, sondern auch Lust, Begehren und [[Ambivalenz]] ist – Dinge, die schwer zu kontrollieren sind. Folge: Menschen mit bi- oder homosexuellen Orientierungen werden oft zu Abjekten, also zu Verkörperungen dessen, was nicht in die Ordnung passt und daher abgestoßen werden muss. So stabilisiert die Gesellschaft eine „klare“ Identität (Mann/Frau, heterosexuell), indem sie das vermeintlich „Unreine“ an den Rand drängt.


===Konsequenzen===
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==Literatur==
==Literatur==
* Julia Kristeva Pouvoirs de l’horreur. Essai sur l’abjection (1980)
* Julia Kristeva: ''Pouvoirs de l’horreur. Essai sur l’abjection'' (1980)
* Jacques Lacan Écrits (1966), besonders der Aufsatz „Das Spiegelstadium“
* Jacques Lacan: ''Écrits'' (1966), besonders der Aufsatz „Das Spiegelstadium“
* Judith Butler Bodies That Matter. On the Discursive Limits of “Sex” (1993)
* Judith Butler: ''Bodies That Matter. On the Discursive Limits of “Sex”'' (1993)
* Kelly Oliver Reading Kristeva. Unraveling the Double-Bind (1993)
* Kelly Oliver: ''Reading Kristeva. Unraveling the Double-Bind'' (1993)


[[Kategorie: Psychologie]]
[[Kategorie: Psychologie]]

Aktuelle Version vom 8. September 2025, 09:52 Uhr

Der Begriff Abjekt stammt vor allem aus den Arbeiten der französischen Philosophin und Psychoanalytikerin Julia Kristeva. Während die klassische Psychoanalyse (z. B. Freud, Lacan) zwischen Subjekt (dem erlebenden Ich) und Objekt (dem Anderen, auf das sich Begehren oder Abwehr richtet) unterscheidet, führt Kristeva das Abjekt als eine dritte Kategorie ein. In Psychoanalyse und Kulturtheorie wird das Abjekt oft mit Ekel, Tabu und dem Unheimlichen in Verbindung gebracht. Es spielt eine Rolle bei Fragen der Identität, insbesondere in der Abgrenzung von Selbst und Anderem, das nicht einmal in Objekt erträglich empfunden wird. Ausgrenzung, Marginalisierung und gesellschaftliche Tabus führen auf diesem Weg oft zu psychischen Traumata, ausgelöst durch den Täter.

Beispiele

  • Das Abjekt ist das, was weder klar Subjekt noch klar Objekt ist.
  • Es ist etwas, das das Subjekt aus sich herausstößt, um seine eigene Identität und Grenzen zu stabilisieren.
  • Typische Beispiele: Körperausscheidungen, Verwesung, Leichen, Blut – Dinge, die Ekel oder Angst auslösen, weil sie die Grenze zwischen „Ich“ und „Nicht-Ich“ infrage stellen.
  • Abjektion ist der Prozess, durch den das Subjekt das Abjekt abstößt, um ein kohärentes Selbstgefühl zu bewahren.

Subjekt, Objekt, Abjekt

Das Subjekt ist das erlebende, sprechende Ich. Es steht für das Innere, für das Zentrum der Wahrnehmung und Sprache. Typischerweise ist damit das eigene Selbst und die Identität gemeint. Mit dem Subjekt verbinden sich Gefühle von Bewusstsein, Handlung und Verantwortung. Das Objekt ist das, worauf sich das Subjekt richtet – sei es in Form von Begehren, Angst oder Beziehung. Es gehört zum Außen, ist also etwas vom Subjekt Getrenntes. Objekte können andere Menschen sein, Dinge oder auch Phantasieobjekte, wie etwa die Mutterbrust oder der geliebte Partner. Mit dem Objekt verbinden sich Gefühle wie Liebe, Hass, Begehren oder Angst. Das Abjekt hingegen entzieht sich dieser klaren Ordnung. Es ist weder eindeutig Subjekt noch eindeutig Objekt. Es taucht genau an der Grenze auf und bedroht die Trennung von innen und außen. Typische Beispiele sind Blut, Exkremente, Erbrochenes oder auch ein Leichnam – Dinge, die Ekel hervorrufen, weil sie das Verhältnis von Leben und Tod, Innen und Außen infrage stellen. Das Abjekt kann aber auch gesellschaftliche Tabus oder ausgegrenzte Menschen umfassen. Mit dem Abjekt verbinden sich Affekte wie Ekel, Scham, Angst und zugleich eine gewisse Faszination. Das Subjekt ist mithin das Ich, das Objekt ist das, worauf das Ich sich richtet, und das Abjekt ist das, was das Ich nicht ertragen kann und abstößt, um sich als Ich behaupten zu können.

Häufiges Beispiel

In vielen Kulturen wird heterosexuelle Zweigeschlechtlichkeit als „Ordnung der Dinge“ gesetzt. Alles, was davon abweicht, bedroht diese Ordnung, weil es Fragen aufwirft: Was ist Mann? Was ist Frau? Wozu dient Sexualität? Homosexualität und oft noch stärker Bisexualität wird dann nicht einfach als „eine andere Möglichkeit“ betrachtet, sondern als etwas Verunreinigendes. Sie erinnert die Gesellschaft daran, dass Sexualität nicht nur Fortpflanzung, sondern auch Lust, Begehren und Ambivalenz ist – Dinge, die schwer zu kontrollieren sind. Folge: Menschen mit bi- oder homosexuellen Orientierungen werden oft zu Abjekten, also zu Verkörperungen dessen, was nicht in die Ordnung passt und daher abgestoßen werden muss. So stabilisiert die Gesellschaft eine „klare“ Identität (Mann/Frau, heterosexuell), indem sie das vermeintlich „Unreine“ an den Rand drängt.

Konsequenzen

Wenn Bi- und Homosexuelle zum Abjekt gemacht werden, bedeutet das: Verlust des Subjektstatus: Ihre Begehren und Lebensweisen gelten nicht als „normal“, sondern als „abweichend“ oder „ekelhaft“. Psychische Folgen: Viele erleben Scham, Selbsthass oder das Gefühl, keinen legitimen Platz in der Gesellschaft zu haben. Sie können die abwertenden Zuschreibungen internalisieren. Soziale Folgen: Ausschluss, Diskriminierung, fehlende Rechte – oft begleitet von subtiler oder offener Gewalt. Gerade Bisexualität ist hier interessant: Sie wird nicht nur abgewertet, sondern oft auch unsichtbar gemacht. Das macht die Abjektion doppelt wirksam – einerseits Stigma, andererseits Auslöschung.

Für die Subjekte bzw. die Mehrheitsgesellschaft

Wer Homosexualität oder Bisexualität abstößt, gewinnt damit scheinbar eine klare und saubere Identität: „Wir sind normal, die anderen sind verdorben.“ Doch das hat Nebenwirkungen:

  • Latente Bedrohung: Weil Sexualität in Wahrheit vielfältig ist, muss die heteronormative Ordnung immer wieder durch Abjektion stabilisiert werden – was viel Energie kostet und eine dauerhafte Angst vor „Verunreinigung“ erzeugt.
  • Verdrängte Faszination: Gerade weil homosexuelles oder bisexuelles Begehren tabuisiert ist, kann es insgeheim faszinieren. Diese Faszination schlägt nicht selten in Aggression oder Obsession um (Hass, Gewalt, Fetischisierung).
  • Identitätsfragilität: Das Subjekt, das sich nur über Abstoßung stabilisiert, ist innerlich brüchig – es hängt davon ab, dass das „Andere“ unten gehalten wird.

Fazit am Beispiel von Bi- und Homosexualität

Für die Gesellschaft: Abjektion dient als Ordnungshilfe, die eine „klare“ Sexualnorm vorgibt – aber sie erzeugt Angst, Aggression und innere Fragilität. Für die abjektierten Personen: Es bedeutet eine existenzielle Bedrohung – psychisch, sozial und politisch. Für die Abjektionierenden: Kurzfristige Sicherheit, langfristig ein instabiles Selbst, das ständig bedroht ist vom verdrängten Anderen. Die Existenz von Bi- und Homosexualität erinnert Gesellschaften daran, dass Identität und Begehren breiter gefächert sind, bei bis zu 8% der Bevölkerung. Abjektion versucht, diese Erinnerung auszulöschen – und produziert dadurch genau das Gegenteil: eine nie zur Ruhe kommende Angst.

Degradierung als Selbstentblößung

Nicht jedes Subjekt ist willen oder in der Lage, andere zum Abjekt zu machen. Meiste sind es psychisch labile Menschen ohne gefestigte “Persona”. Eine intern schwächliche Person erlebt sein Selbst als fragil. Die Grenzen zwischen Innen und Außen sind unscharf, die Identität brüchig. Erst durch die völlige Degradierung eines Menschen gewinnen sie innere Stabilität. Um dieses fragile Ich zu stabilisieren, macht er Andersartige zu

Andere zum Abjekt machen

Wenn das fragile Subjekt in anderen etwas erkennt, das es in sich selbst fürchtet (z. B. Lust, Ambivalenz, Abhängigkeit), stößt es das radikal ab. Es erklärt: „Das ist dreckig, abartig, minderwertig – ich bin anders, ich bin rein.“ Damit lagert es den eigenen inneren Konflikt nach außen aus und gewinnt scheinbare Reinheit. So entsteht der paradoxe Effekt: Gerade die eigene Unsicherheit treibt das Bedürfnis an, andere zu

Verbindung zu Bi- und Homosexualität

Besonders in Kontexten, in denen Bi- oder Homosexualität gesellschaftlich abgewertet wird, kann es passieren, dass Menschen, die sich ihrer eigenen Orientierung unsicher sind, besonders stark andere abwerten. Innere Abjektion: „Wenn ich mein Begehren nicht annehmen kann, muss ich es draußen bekämpfen.“ Das erklärt, warum manche der heftigsten Homophobien und Biphobien gerade von Personen ausgehen, die selbst eine fragile sexuelle Identität haben.

Eigene Labilität als Antreiber des Täteerss

Wer kein gefestigtes Subjekt ist, sucht Stabilität darin, andere zu Objekten oder gleich zu Abjekten zu machen. Dadurch stabilisiert er sich scheinbar, aber in Wahrheit verlängert er nur die eigene Fragilität, weil er sich nicht aus sich selbst heraus, sondern nur durch die Abwertung anderer definiert. Das Subjekt, das den Mangel verleugnet, stabilisiert sich nur durch das Abjektionieren des Anderen – und bleibt damit doppelt gefangen in der Abhängigkeit von dem, was es abstößt.

Literatur

  • Julia Kristeva: Pouvoirs de l’horreur. Essai sur l’abjection (1980)
  • Jacques Lacan: Écrits (1966), besonders der Aufsatz „Das Spiegelstadium“
  • Judith Butler: Bodies That Matter. On the Discursive Limits of “Sex” (1993)
  • Kelly Oliver: Reading Kristeva. Unraveling the Double-Bind (1993)