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Manfred Dott (Langfassung)
Manfred Dott (* 30. Oktober 1940 in Koblenz) war ein deutscher Politiker und Diplom Hochbauingenieur , der als parlamentarischer Staatssekretär im Verkehrsministerium der Regierung des DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière vom 18. März 1990 bis 3. Okt. 1990 angehörte. Er erzählt in dem nachfolgendem Text, der als Offener Brief bezeichnet wird, Ausschnitte aus seinem Leben als ein Zeuge der Wendezeit und der Wiedervereinigung.
Der Offene Brief trägt die Überschrift:
Via DDR, bin dann mal fort Manfred Dott, ein Wendezeitzeuge, erzählt sein Leben.
1. Kindheitserlebnisse
2. Aufbegehren
3. Die Besinnung beginnt
4. Wilde Ost- Studienzeit
5. Die Überzeugung ändert sich
6. Gefangenschaft im Aufnahmelager
7. Persönliches Glück
8. Kampf um Ausreise
9. Das Verhör
10. Der Anschlag
11. Das Angebot
12. Kommilitonenbespitzelung
13. DDR-Kirche stützt Umbruch
14. Staatsführung zieht letzte Register
15. Die Montagsdemos
16. Das Neue Forum
17. Anbiederung
18 . Die 10. Volkskammer
19. Nach dem Tag der Einheit
20. Es ist erreicht
MANFRED DOTT Alte Straße 5 06502 Thale OT Altenbrak geb. 1940 in Koblenz Via DDR Bin dann mal fort
1.Kindheitserlebnisse
Koblenz: 1942 und 1943 - der Vater an der Ostfront. Bomben schlugen nahe unseres Hauses ein. Ein Riesenknall und die Kirche zwischen unserem Wohnhaus und der Rohrerhof-Schule in Koblenz-Metternich war ein Trümmerhaufen. Wir mussten also weg, aus dieser Gefahrenzone heraus.
Wir wurden einem Bauernhof in Kleinurleben, einem kleinen Dorf in Thüringen in der Nähe von Bad Tennstedt zugeteilt, um das, wie die Kriegsplaner dachten, sich die Bomberverbände nicht kümmern würden, solange die Großstädte noch teilweise stehen.
Mit der Mutter und Familie 1943 wurden wir also von Koblenz ostwärts nach Thüringen evakuiert. Als dreijähriger kann ich mich noch Bruchstückhaft an ein Gespräch meiner Mutter mit einem Mann in Naziuniform erinnern. Dieser Mann sagte zur Mutter: wollen Sie sich wirklich mit den drei Kindern in der Evakuierung abmühen. Wir könnten Ihnen den Kleinen da abnehmen. Ihre Mädchen können ja schon mit anpacken. Die Evakuierung wird Ihnen dann nicht so schwer. Meine Mutter sagte, nein, den einzigen Namensstammhalter der ganzen Familie Dott, den kleinen Manfred nehme ich mit. Hier hatte ich wohl das erste mal im Leben Glück und ich durfte weiter leben. Die Vorsehung war mit mir noch nicht fertig. Nach abenteuerlicher Reise kamen wir an unserem zugewiesenen Evakuierungsort an.
Wir wohnten dann also in dem Bauernhof der Familie Steukart, direkt an der Dorfhauptstraße in der ersten Etage, in einem einzigen Raum. Die Mutter, die beiden älteren Schwestern, blond und mit Leib und Seele in dem BDM, der Mädchenorganisation im Hitlerstaat, dessen Hauptaufgabe es sein sollte, die Reproduktion der Arierrasse in Deutschland sicher zu stellen . Da auch meine Schwestern noch sehr jung und ohne Weitblick waren und sonst für sie nichts los war, kann ich ihnen das nicht verdenken.
Eines Tages im Sommer hörte ich lautes Männergebrüll und leises Stöhnen und das Getrappel vieler Menschen. Schnell war ich am Fenster und sah heraus auf die Hauptstraße, ehe meine Mutter das mitbekam. Naiv fragte ich Mutter, „was das dann sei?“. Statt mir das zu erklären bekam ich Prügel mit den Worten, „bleib zukünftig vom Fenster weg“. Erst später, wieder in Koblenz zurück und nach 1945, sagte mir eine meiner Schwestern, dass das, was ich da gesehen hatte, wohl ein Todesmarsch von Juden, in das nahe Konzentrationslager Buchenwald war. Jedenfalls wurde durch diese Erlebnisse meine frühe Kindheit geprägt. Es war trotz der Gefahren ein kleines Abenteuer. Gut, dass ich noch nicht so tief und umfassend das ganze erfassen konnte.
Mit 5 Jahren wurde ich in die Schule geschickt, weil es zu Hause nichts zu Essen gab, durch die Schulspeisung kamen wir wenigstens satt nach Hause. Das ich dadurch beim Lernen am Anfang mehr Schwierigkeiten haben würde als andere Schüler, auf diese Idee kam niemand. Ich war kleiner als viele Schüler meiner Klasse und bekam auch ab und zu mal Prügel in einer Ecke, die die Lehrer der Pausenaufsicht nicht einsehen konnten.
Somit als Spätzünder verdammt, stellte ich auch einen Zusammenhang des Lernens für das folgende Leben erst später her. Zu Hause hing ich herum, machte manchen Unsinn und ärgerte meine Schwestern die fleißig für die Mittelschule lernten, da Mutter das Schulgeld nicht bezahlen konnte und die Schwestern mit einem sehr guten Notendurchschnitt für die Beitragsfreiheit kämpfen mussten.
Eine tolle Abwechslung waren die St. Georgspfadfinder, bei denen ich zehn Jahre Mitglied war. Vom Wölfling bis zum Ritter. Wir marschierten im Pfadfinderschritt (das ist abwechselndes Gehen und Laufen) im Gleichschritt und im Wanderschritt. Wir sangen dazu Lieder im Takt. Unter anderem: Glotz, Glotz, Glotz am Bein wie lang ist die Chaussee, rechts ne Pappel links ne Pappel in der Mitt` ein Pferdeapfel. Wir merkten dabei gar nicht, dass wir Strecken von vielen km gingen. Wir lernten Gitarre spielen und sangen die Heimat- und Wanderlieder herauf und herunter. Bei den Geländespielen wurden wir oft im Wald bei Nacht ausgesetzt und dort bis zum nächsten morgen belassen. Wir lernten so, dass man im Wald, wenn man sich versteckt und sich ruhig verhält, sicherer ist als im Häusermeer einer Stadt. Das ich so auch einmal im Dunkeln in einem Ameisenhaufen gelandet bin, ist mir bis heute in Erinnerung. Sehr oft haben wir Pfadfinder diese so genannten Geländespiele im Brexbachtal und zwischen der Burg Elz und der Burg Trutzelz durchgeführt. Dieser im Grunde vormilitäriche Drill, war vom Gründer, der Pfadfinder, dem Engländer Baden Powell wohl so beabsichtigt. Das erklärt die Geschichte diese Lords auf die ich hier nicht näher eingehen will. Das war aber so verpackt, dass es einen riesigen Spaß gemacht hat.
Je älter ich wurde, desto stärker wurde der Wunsch, richtige Abenteuer zu bestehen. Gerade Wegs steuerte ich auf die beinahe Katastrophe zu.
Meine Lehrzeit in Koblenz in der Clemensstraße 16 und meine Umschulung im elterlichen Baubetrieb, waren geprägt von der Praxis, meine Berufsziele mit möglichst geringem Aufwand zu erreichen. Nie ganz verausgaben und immer eine Reserve behalten, waren meine Grundsätze. Dadurch hatte ich genügend Raum für meine Träume von der großen weiten Welt. Mein damaliger Freund wollte mit mir nach Kanada auswandern. Wir hatten unsere Papiere fertig und wollten los. Er fuhr und ich blieb da. Obwohl es mir an Mut nicht fehlte, hielt mich irgend etwas hier in Koblenz fest.
Neben diesen Eindrücken und dieser Lebenspraxis hatte ich schon damals einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn.
2. Aufbegehren
1945/1946 wohnten wir wieder in einem Haus, das wir vor der Evakuierung verlassen hatten, in Koblenz Metternich Rohrerhof. Mittlerweile kam mein Vater aus der Gefangenschaft zurück. Er war auch von seinen Erlebnissen geprägt und transportierte einiges in die Familie.
Als einziger Junge hörte ich ihm gerne zu, wenn er russische Lieder sang und dazu Mundharmonika spielte. Schließlich hatte er ja was erlebt und überlebt. Ich löcherte ihn mit Fragen, was die Russen in ihrem Staat denn so anders machen als wir. Mein Vater aus heutiger Sicht eher unpolitisch, wusste es auch nicht so richtig zu erklären, was meine Neugier noch mehr forcierte. Bis er dann sagte: „Wenn du es genau wissen willst, dann gehe zu einem Herrn Ewinger im Wahlsweg. Der ist Kommunist, der kann dir das am Besten erklären und nun lass’ mich in Ruhe.“ Ich ging also hin, zu dem Herrn im Wahlsweg, in Koblenz Metternich,schräg gegenüber der Apfelmosterei Edel. Auf dem Weg dorthin ging mir so einiges durch den Kopf.
Ist das richtig was ich hier vor habe. In den Zeitungen, im Fernsehen und im Rundfunk, wir hatten noch einen Volksempfänger in der Küche stehen, mit einem Hakenkreuz drauf, wurde ständig auf der Sowjetunion und der Ostzone herum gedroschen. Es war alles schlecht, was von dort kam. Reicht es nicht, wenn sich mein Weltbild auf diesen Informationen begründet, das reicht anderen Menschen ja auch warum muss ausgerechnet ich tiefer in die Materie eindringen? Wenn aus mir etwas werden soll, dann muss ich Schluss machen mit dieser Neugier.
Ich war so in Gedanken, dass ich erschrocken war als meine Tante aus der Rübenacher Straße mich ansprach. Du stolperst noch über deine eigene Füße wenn du wie Hans
Guck in die Luft durch die Gegend läufst. Ich war aufgeregt. Es kroch etwas unheimliches in mir hoch. Ich spürte instinktiv, dass mein Leben eine grundlegende Wendung nehmen könnte, wenn ich jetzt weiter ging. Einen Moment blieb ich stehen.
Soll ich mein Vorhaben nicht doch abbrechen und umkehren.
Aber dann würde ich ja nie erfahren was ich so gerne wissen möchte. Und im Übrigen
bei den St. Georgspfadfindern hatte ich gelernt, zu forschen und zu ergründen, was sich dort hauptsächlich auf die Pflanzen und Tierwelt bezog. Aber jetzt wurde es politisch. Das war neu. Was kann mir schon geschehen, wenn ich zu dem Kommunisten Ewinger gehe und ihn nach dem Kommunismus frage. Eigentlich nichts. Also ging ich weiter und hatte für mich entschieden diese Wissenslücke über Herrn Ewinger zu schließen. Es waren noch etwa 50 Meter bis zu dem Haus des Kommunisten. Es standen viele Autos vor dem Haus. Das konnte verschiedene Gründe haben, waren die alle bei dem Herrn Newinger im Haus? Ach was. Ein Ruck und ich drückte auf die Klingel.
Herr Newinger kam an die Tür und fragte misstrauisch was ich denn wolle. Da fragte ich ihn einfach gerade heraus, wie sollte ich das auch anders verpacken, ob er mir mal
Auskunft geben könne über den Kommunismus, über Russland und über die Ostzone. Er sah mich böse an und sagte das heißt nicht Ostzone, sondern DDR. Dann fragte er mich, weshalb ich denn mit dieser Frage ausgerechnet zu ihm komme. Ehrlich sagte ich ihm, dass mein Vater mir gesagt hatte, Herr Ewinger kenne mehr als er über Russland, den Kommunismus und über die Ostz „Entschuldigung die DDR„ sagte ich, das muss ich mir merken. Das kommt nicht wieder vor. Da er meinen Vater kannte, verflog sein Misstrauen etwas und er schickte mich weg mit dem Hinweis, ich solle am nächsten Tag zu ihm kommen, dann könne er sich Zeit nehmen und mir meine Fragen beantworten.
Die KPD war schon einige Zeit verboten und nur illegal konnten sich die Genossen treffen. Aus einem Zimmer quoll Zigarettenrauch und Männer waren dort, die ich nur hören aber nicht sehen konnte. Nun konnte ich mir erklären weshalb so viele Autos vor dem Haus standen.
Später als eine gewisse Vertrauensbasis zu Herrn Ewinger gewachsen war, erfuhr ich, dass ich in eine illegale KPD-Versammlung hineingeplatzt war.
Später erfuhr ich dann auch, dass noch an diesem Abend dort beschlossen wurde, mich auf keinen Fall in die KPD aufzunehmen. Alle Genossen sollen mir gegenüber besonders vorsichtig sein. Mein Elternhaus sei zu bürgerlich .
Alleine schon die primitive Fragestellung nach dem Kommunismus und der Ostzone war für die Genossen eine Beleidigung. Zu dieser Zeit wusste ich es nicht besser.
Mein Vater hatte gerade bei der Handwerkskammer seine Baumeisterprüfung bestanden und hatte sich mit einem Baubetrieb selbständig gemacht. Vater hatte
zwei Maurerteams zusammengestellt. Er hatte Maurer und Hilfsarbeiter, so genannte Handlanger, eingestellt und war nach reinster kommunistischer Lehre Ausbeuter.
Die Abenteuerlust hatte mich nun mal gepackt und es war „in“ etwas Verbotenes zu tun. Am nächsten Tag ging ich also wieder den Weg zu dem Herrn Ewinger. Es ging leichter als am Tag zuvor. Die Gedanken etwa um zu kehren, kamen mir nicht mehr.
Dieses mal standen keine Autos vor der Tür. Nun stand ich bei Herrn Ewinger auf der Matte und klingelte.
Er holte mich ins Haus. Sehr freundlich war er, seine Frau brachte Kaffee und dann erklärte er mir, was er unter Kommunismus verstand.
Herr Ewinger konnte klug erklären, weshalb die bundesdeutschen Massenmedien so antikommunistisch agierten. Er sagte „ die haben Angst, dass zu viele Menschen sich
gegen die Bundesrepublik stellen, wenn sie die Tatsachen über die Solidarität und die Einheit der Klassen im Osten erfahren
Was er da so sagte klang so schön und so gerecht, dass man kaum glauben mochte, dass Menschen zu so einem Leben in der Lage sind. Er entließ mich und schenkte mir die Bücher „Das Kapital“, „Das kommunistische Manifest“ sowie einige Druckwerke von Lenin.
Etwas Schöneres kann es doch gar nicht geben, als in Solidarität und Frieden mit den Mitmenschen zusammenzuleben und alles zu teilen.
Die Falle war also zugeschnappt.
Ich las fleißig die mitgegebenen Werke und kaufte noch selbst welche dazu.
Es interessierte mich nun auch der dialektische Materialismus. Ich machte fleißig mit
und bekam die Empfehlung von der KPD Gruppe , selbst in der Industrie als Arbeiter zu sehen, wie die Wirklichkeit ist. Wer genau hinter der Empfehlung steckte war mir zu dieser Zeit nicht klar.
Im Vergleich zu dem Inhalt der Literatur von Marx und Engels und zu dem was Herr Ewinger interpretierte war das die Hölle. Zu dieser Zeit glaubte ich, das sei in Russland und der DDR alles in die Praxis umgesetzt, was ich zu lesen und zu hören bekam.
Ich ging in die Gewerkschaft. Damals die IG Chemie Papier Keramik. Ich wurde Vertrauensmann und in die Tarifkommission für Rheinland Pfalz gewählt. Die Gewerkschaftsgremien waren hauptsächlich von Sozialdemokraten besetzt. Die wollten immer Kompromisse machen. Man müsse doch beide Seiten der Tarifparteien verstehen. Da ich als Kommunist doch nicht so ganz alleine in der Gewerkschaft war und wir kompromisslos die Sozialdemokraten zu konsequenterem Vorgehen gegenüber den Arbeitgebern drängten, hatten wir doch auch immer wieder Erfolg. Vor allem kam unsere Konsequenz bei den Arbeitskollegen gut an und unsere Wahlfunktionen als Betriebsräte und Vertrauensleute waren sicher. Also eine beginnende linke Karriere. Mittlerweile war ich in die Grundeinheit der KPD in Koblenz so integriert, dass ich die KPD-Mitglieder kannte vom Asterstein bis Moselweiß. Auch kleine Sachen durfte ich für die Genossen mal erledigen beziehungsweise transportieren aus unserer Stadt in eine andere Stadt oder zu einer anderen Grundeinheit. Man testete meine Zuverlässigkeit. Dass ich wegen meinem bürgerlichen Elternhaus kein KPD-Mitglied werden konnte, hat mich nicht weiter gestört, das habe ich mit Aktivität wett gemacht. Mittlerweile wurde die ADF gegründet, eine kommunistische Ersatzpartei, damit die Kommunisten der KPD etwas zu wählen hatten. Zum Bundestagskandidaten dieser Partei für den Raum Koblenz hatte man mich gewählt. Chancenlos aber auf Plakaten und Flyern präsent.
3. Die Besinnung beginnt
Erstmals und ganz vorsichtig merkte ich, dass im Hintergrund die Fäden aus dem Osten Deutschlands gezogen wurden. Als wenn wir, die Kommunisten in der Bundesrepublik, selbständig wären, machte ich so weiter, als merkte ich das nicht. Aber ich fühlte mich irgendwie beobachtet. Das war unvereinbar mit meinem absoluten Freiheitsgedanken. Mehr über diese Ostzone, die so genannte DDR zu erfahren, war mein nächstes Ziel. Nicht nur von anderen darüber hören, sondern selbst sehen wollte ich, um zu diesem System, wenn es denn besser ist, in der Bundesrepublik bessere Argumente zu haben. Da kam mir die Einladung zu einem Studienaufenthalt in die DDR gerade recht. Auch hier kam mir einiges sehr seltsam vor. Die Einladung wurde mir von einem KPD Genossen mündlich übermittelt. Auf Nachfrage ob er mich denn so einfach in die DDR einladen könne, sagte er mir, dass ist schon alles durchgestellt, ich solle nicht so viel fragen. Wenn du nicht hin willst, dann musst du das sagen. Dann nehme ich das zurück. Da ich merkte, dass ich einen neuralgischen Punkt berührt hatte, nämlich die Verbindungen der DDR und ihr Einfluss bei den westdeutschen Kommunisten, habe ich meine Frage zurück genommen. Schließlich brannte ich ja darauf, die DDR mal selbst in Augenschein zu nehmen. Er sagte mir noch, dass es nach Bad Sarow gehen sollte. Mittlerweile war ich verheiratet und hatte zwei Kinder. Die ganze Familie solle mit kommen. Der Flug nach Berlin Tempelhof war schon gebucht hin und zurück und Geld für unseren Tagesbedarf bekamen wir auch schon vorab. Was die DDR alles möglich macht. Dass war doch schön. Ich fragte mich aber schon Wer macht denn etwas umsonst. Muss ich etwa hinterher etwas dafür tun? Jedenfalls Fuhren wir mit einem Taxi vom Westberliner Flughafen zum Bahnhof Friedrichstraße. Wir gingen dort in die Grenzübergangsstelle hinein. Wir hatten alle keine Einreisepapiere. Ich sagte meinen Namen, Manfred Dott mit Familie aus Koblenz. Nach einem Augenblick kam ein Mann auf uns zu, der uns zur Seite nahm und uns herzlich begrüßte. Er klopfte an die Wand und es ging eine Tür auf, die man von Westberliner Seite nicht als solche erkennen konnte. Wir gingen mit dem Genossen in einen dunklen Gang hinein. Dieser sonderbare unterirdische Gang führte ohne Kontrolle auf die Ostdeutsche Seite. Als wir den Gang verließen stand ein Wachsoldat breitbeinig davor und Salutierte vor dem Mann in Zivil der uns geführt hatte. Willkommen auf dem Boden der DDR sagte dieser und brachte uns zu einem schwarzen Wolga. Dieses Fahrzeug brachte uns zum Scharmützelsee. Der Wolga-fahrer hatte wahrscheinlich die Anweisung, mit uns nicht zu sprechen. Ich wollte höflich sein und sprach ihn unterwegs einige male an. Er antwortete nur einsilbig. Ich sollte wohl merken, dass er nicht zu unseren Kontaktleuten gehörte Dort, am Scharmützelsee, kamen wir in ein für DDR-Verhältnisse luxuriöses Ferienheim, weit ab von Bad Sarow. Sehr schöner Badeurlaub war das, aber von dem real existierenden Sozialismus hatte ich nichts gesehen. Oder war das der real existierende Sozialismus? Ging es vielleicht allen Leuten so gut wie uns hier im Ferienhotel. Die Menschen, die in dem Heim mit uns zusammen waren und mit denen wir dann auch mal zusammen gebracht wurden, waren allesamt stramme Kommunisten, die mit ihrer Hörigkeit bestimmt auch im Dritten Reich sehr gute Karriere-Chancen gehabt hätten.
Eines merkte ich schon jetzt, dass zwischen den Kommunisten in der BRD und denen der DDR Welten lagen.
Die Kommunisten in der BRD hatten aufzubegehren, Unruhe zu stiften und zu fordern über die Gewerkschaften und über den linken Flügel der Sozialdemokraten. Die Kommunisten der DDR hatten zu funktionieren, zu spitzeln und ihr System zu sichern. Und wir alle sollen die gleichen Ziele haben? Mir war also klar: Die reine Marxistische Lehre gab es nur auf dem Papier, nicht aber in der Praxis. Ob das überhaupt möglich war mit uns Menschen?
Erstmals musste ich für mich Kompromisse machen. Ich erklärte mir das so, dass durch das ständige Trommelfeuer der Westmedien gegen die Ostzone, die Sowjetunion und alles, was nur nach Kommunismus und Sozialismus roch, die Oststaaten zu einer besonderen Sicherheit gezwungen seien, um ihr System und ihre so genannten Errungenschaften zu verteidigen. Damit hatte ich meine innere Stimme, die zur Vorsicht mahnte, zum Schweigen gebracht und ich konnte so weiter machen wie bisher. Wir wurden aus dem DDR Urlaub so zurück gefahren, wie wir gekommen waren. Mit Wolga zum Bahnhof Friedrich Straße durch die Untergrundgänge nach Westberlin und mit Flieger ab Tempelhof nach Frankfurt am Main. Dort hatten wir unser Auto stehen. Zurück in Koblenz zog ich mir wieder die Unterwanderstiefel an und habe manchen Industriebetrieb in arge Schwierigkeiten gebracht. Aber so kritiklos wie vorher war ich nicht mehr. Auch durch die Kritikpunkte an der DDR, wurde mir das System der Bundesrepublik nicht sympathischer.
Ich streckte nun meine Fühler auch über die Grenzen von Koblenz aus und unterstützte Demos der außerparlamentarischen Opposition (APO) in anderen Städten. So war ich auch bei überörtlichen Demos der APO in Frankfurt am Main mit dabei. Viele heute bekannte Personen aus Politik und Gesellschaft habe ich dort getroffen, die eine ähnliche Entwicklung hinter sich haben. Das System herausfordern,
Provozieren, Abenteuer erleben, junge Menschen mit gleichen oder ähnlichen Zielen kennen lernen. Das war eine Zeit der absoluten Freiheit. Aber im inneren stellte ich mir oft die Frage was machen denn die Jugendlichen in der DDR, Möchten die nicht auch so leben wie wir. Die Jungen Menschen dort im Osten haben, die nicht die gleichen Wünsche wie wir. Was ist wenn dort ein junger Mensch genauso unruhig und systemkritisch ist wie wir hier. Was ist dann mit ihm. Wie reagiert dann der Staat DDR darauf. Alles hin und her nutzte nichts. Auch wenn ich in meinem Inneren in gehörigen Abstand vom DDR Staat und seiner Lebenspraxis gegangen war. Am Kampf gegen das Bundesdeutsche System hat das nichts geändert. Das alles blieb der DDR-Führung nicht verborgen und ich war bis dahin in ihren Augen ein, man kann sagen, Musterschüler der 5. Kolonne. Nach Prüfung meiner Vorbildung sollte ich ein Praktikum besonderer Art in Industriebetrieben machen, um bei Erfolg ein Studium in der DDR aufzunehmen. Ein Großbetrieb in Koblenz, mit Sitz im Industriegebiet, der bis heute dort die Presse vertreibt, hatte keinen Betriebsrat. Das kam mir da gerade recht, ich scharte einige Mitkämpfer um mich und verlangte die Gründung eines Betriebsrates und berief mich auf das Betriebsverfassungsgesetz der Bundesrepublik. Wenn mich auch sonst die Bundesgesetze nur wenig interessierten, hier nutzen sie mal und dann berief ich mich auch darauf. Den Betriebsrat bekamen dann die Kollegen und ich flog fristlos raus, da half auch nicht der gewonnene Prozess vor dem Koblenzer Arbeitsgericht. Das hat natürlich den DDR-Verbindungsleuten gefallen und meine Vorqualifizierung war so gut wie gelaufen. Ich bekam also eine Immatrikulierung für die Karl-Marx-Universität Leipzig mit Außenstelle in Berlin.
4. Wilde Ost- Studienzeit
Meine Familie sah mich selten und meine Freiheit war grenzenlos Die Familie meiner ersten Ehe, meine Frau Elke und meine Kinder Anja und Heike blieben in Koblenz zurück und ich zog zum Studium in die DDR nach Ostberlin. Die in Koblenz gebliebene Familie wurde mit einer relativ hohen monatlichen Zahlung in DM aus der DDR unterstützt. Zu Besuch nach Koblenz, kam ich selten. Es fehlte uns Studenten und damit auch mir dort an nichts.
In Berlin mit meinen Kommilitonen hoch angesehen, kosteten wir dieses Privileg auch aus. Schließlich sollten wir uns so wohl als möglich fühlen. Wer draußen keine Freundin gefunden hatte, dem konnte es so gehen wie mir einmal. Von einem Spaziergang über den Alexanderplatz mit der S-Bahn zurück, man musste ja mal was anderes sehen, als nur den Hörsaal und das Internat.
Es war noch früh am Tag, etwa 20°° Uhr. Eigentlich wollte ich mich noch auf eine Klausur vorbereiten, die am nächsten Tag vorgesehen war. Mein Kommilitone, ein junger Mann aus Hamburg, war schon im Zimmer. Der wollte, wie er sagte an dem Tag nicht nach Berlin rein. Der empfing mich gleich an der Tür. „Erschrecke nicht“
sagte er. „Wieso“ fragte ich. „Schau mal dein Bett“ sagte er. Mein Bett war in einer Ecke direkt unter dem Fenster. Ich ging einen Schritt vor und sah lange schwarze Haare auf meinem Kopfkissen. Es lag dort ein Mädchen bildhübsch und ausgezogen.
Nach meiner Schätzung war sie wohl zwischen 25 und 35 Jahre alt. Das hat mir erst einmal die Sprache verschlagen. Ich weis bis heute nicht ob mein Kommilitone sie vor mir hatte. Ich fragte auch nicht danach. Jedenfalls sagte mein Mitstudent, „ Zicke nicht rum, rein ins Bett“ Das machte ich aber nicht. Ehe ich etwas sagte, dachte ich erst einmal nach. Unser Internatsobjekt war umzäunt und bewacht. Man konnte nur durch einen Eingang hinein und heraus. Der Ausgang war nur mit unserem Sonderausweis möglich. Obwohl man uns kannte mussten die Wachleute immer wieder unsere Ausweise ansehen. Erst recht in das Objekt kam man nur, wenn man seinen Ausweis vorzeigte. Das ging mir alles durch den Kopf. Zu mindest im Beisein des Mädchens wollte ich auch meinen Kommilitonen nicht nach den näheren Umständen fragen. Es gab da einen Spruch, den man auch in anderen Zusammenhängen schon mal gehört hatte, besonders dann, wenn man etwas nicht gleich verstanden hatte, oder wenn einem was unverständlich vor kam: „Die Partei wird sich schon etwas dabei gedacht haben„ . Das Mädchen einfach so raus schmeißen wollte ich nicht. Aber sie kann ja nur mit dem Segen der Schulleitung bzw. der Staatssicherheit in das Objekt gekommen sein. Sie wird sicher hinterher zu mindest mündlich berichten, wie ihr Besuch bei mir ausgegangen ist.
Sicher sollte sie neben der sexuellen Befriedigung, eventuelle Vorlieben auskundschaften.
Ich war so erschrocken, dass ich glaube, in dem Moment hätte ich mit ihr gar nicht schlafen können. Aber da war noch mein Mitstudent im Zimmer. Der bemerkte mein Zögern. Wie eine impotenter Halbmann, wollte ich auch nicht da stehen. Was tun.
Das Mädchen lag immer noch in meinem Bett. Plötzlich sagte sie : „willst du nicht endlich ins Bett kommen“ Mir fiel in dem Moment nichts anderes ein als meinen Mitstudenten zu fragen, „gehst du mal für eine halbe Stunde raus“ Später möchte ich schon alleine in meinem Bett schlafen. Er grinste und ging. Ich schloss die Tür von innen ab und sagte leise zu dem bildhübschen Kind, komm raus aus dem Bett und ziehe dich an. Sie sagte, „ Ich bekomme Ärger wenn ich mit dir nicht geschlafen habe“ Ich entgegnete ihr, „das muss doch keiner erfahren“ oder werden wir abgehört?
Nicht das ich wüsste, „sagte sie“ Das musst du auch nicht wissen.. Leise sagte ich ihr ins Ohr, „dann sagst du jetzt laut, ach tut das gut, halt mich fest“ Das sagte sie dann auch. Hinterher kann keiner beweisen, dass nichts war. Sie stand aus dem Bett auf und kam heraus. Da sich mittlerweile mein erster Schreck gelegt hatte und ich sie so vor mir sah, wurde mir doch ganz seltsam zu mute. Aber ich dachte dann doch, die Stasi soll meine Art Sex zu haben nicht erfahren. Dann konnte ich mir doch eine Frage an das Mädchen nicht verkneifen. „Weshalb tust du das, wir kennen uns doch überhaupt nicht“ Haben die dich in der Hand, sitzt du irgendwo ein und kommst früher raus wenn du das hier gut machst. Darauf antwortete sie mir nicht. Sicher hatte sie Angst, ich könne hinterher darüber reden und dann hätte sie erst richtig Ärger. Ich konnte mich nicht satt sehen an der schönen Gestalt des Mädchens. Sie musste ja noch etwas bei mir bleiben, damit unser Deal nicht aufflog. Nach etwa 20 Minuten entließ ich sie. Mittlerweile war sie wieder in ihre hautenge Jeans geschlüpft und ging davon. Sie ging, wie sie gekommen war. Sie war verschwunden. Mein Kommilitone kam nach einer halben Stunde wieder rein und fragte grinsend, „wars schön“ „ja ja“ sagte ich und hatte für den Rest der Studienzeit ein solches Erlebnis im Internat nicht wieder.
Obwohl wir das nicht merkten, muss man uns Studenten wohl genau beobachtet haben. Wir sollten alles haben, aber uns keinesfalls fest binden. Es war ja nur ein Aufenthalt auf Zeit.
Auch bei aller Wohlfühlstrategie merkte ich, dass es zwei weit auseinanderklaffende soziale Schichten in der DDR gab. Was, wenn alles so stimmt, wie wir das in unserem gesellschaftswissenschaftlichen Studium lernten, gesetzmäßig zu Unruhen führen muss. Das sei für alle Gesellschaftsordnungen gesetzmäßig. Nicht a